Demo gegen Israels Angriff auf den Iran in London

Wohin steuert der Imperialismus?

Das Chaos im Nahen Osten hat seine Wurzeln in einer tiefen Krise des US-Imperialismus. Von Arthur Townend

Völkermord in Palästina. Der blitzartige Zusammenbruch einer brutalen Diktatur in Syrien. Ein monatelanger Krieg, der Tausende von Menschen im Libanon tötete. Und nun ein andauernder Konflikt zwischen dem Iran und Israel, ausgelöst durch den zionistischen Staat, der ein Blutbad anrichtet.

Der Nahe Osten ist ein Schmelztiegel imperialistischer Spannungen. Globale Rivalitäten haben sich mit regionalen Machtkämpfen verbunden und zu einer anhaltenden Instabilität in der Region geführt.

Es stimmt, dass die Staaten schon vor dem Kapitalismus miteinander konkurriert haben. Aber der moderne Imperialismus entstand durch die kapitalistische Entwicklung am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus schluckten sich die Unternehmen gegenseitig, was zu Monopolen führte, die die wirtschaftliche Produktion beherrschten und über die nationalen Grenzen hinausgingen.

Die Verflechtung zwischen dem Staat und den kapitalistischen Unternehmen nahm zu. British Petroleum und BAE Systems sind Beispiele dafür, wie der britische Staat die Interessen der kapitalistischen Unternehmen unterstützt.

Aber Unternehmen, die sich über nationale Grenzen hinwegsetzen, führen nicht zu weniger Wettbewerb zwischen den Staaten. Der russische Revolutionär Wladimir Lenin verstand, dass sich der Kapitalismus ungleichmäßig entwickelt – die Ungleichheit zwischen den Nationen ist Bestandteil seiner Entwicklung.

Trotz der Integration zwischen den Volkswirtschaften ist der Wettbewerb also in das System eingebaut. Man denke an die Vereinigten Staaten und China.

Beim Imperialismus geht es nicht nur darum, dass die reicheren und mächtigeren Länder die ärmeren Länder schikanieren. Er ist ein globales System konkurrierender kapitalistischer Staaten. Es gibt große imperialistische Mächte, die um die Vorherrschaft kämpfen, zum Beispiel die USA, China, Russland, Großbritannien oder Deutschland.

Aber es gibt auch Rivalitäten zwischen regionalen Mächten – und nirgendwo wird dies deutlicher als bei den explosiven Konflikten im Nahen Osten.

Der zunehmende Wettbewerb entsteht dadurch, dass die USA ihre globale Dominanz verteidigen und China sie herausfordert. Und lokale Akteure tun es ihnen auf regionaler Ebene gleich.

Das Chaos hat seine Wurzeln in einer tiefen Krise der US-imperialistischen Ordnung. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die USA der kapitalistischste Staat und ihre Wirtschaft ist in atemberaubendem Tempo angewachsen. Der »lange Boom« führte zu einer Ausweitung der gesamten Wirtschaftsproduktion, und die USA erwirtschafteten 35 Prozent der weltweiten Industrieproduktion.

Der US-Imperialismus baute eine liberale kapitalistische Weltordnung auf, die auf Freihandel und freiem Markt beruhte. Mit den während und nach dem Krieg geschaffenen Institutionen – der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der Nato – etablierte er ein »regelbasiertes« internationales System.

Diese internationalen Institutionen bildeten die Grundlage für eine ganz andere Art von Imperium als die alten Formen kolonialer Kontrolle. Sie sicherten die Vorherrschaft der US-Konzerne auf den Weltmärkten.

Doch diese Ära der Profitabilität konnte nicht von Dauer sein. In den 1970er Jahren erlebte der US-Kapitalismus einen rapiden Anstieg der Inflation und eine Verlangsamung des Wachstums. In Verbindung mit zwei Ölkrisen in den Jahren 1973 und 1979 bedeutete dies, dass die herrschende Klasse der USA reagieren musste.

Die Antwort darauf war der Neoliberalismus, der die Märkte deregulierte und den Freihandel förderte, um die Expansion des Kapitals zu ermöglichen. Er steigerte die Rentabilität, indem er die Löhne der Arbeitnehmer:innen drückte. Und er verlagerte einen Teil der Produktion aus den USA in Gebiete mit billigeren Arbeitskräften.

Letztendlich gelang es dem Neoliberalismus jedoch nicht, die Rentabilität vollständig wiederherzustellen. Der relative wirtschaftliche Niedergang der USA hat Raum für neue Herausforderer ihrer globalen Dominanz geschaffen, insbesondere für China.

Das Zeitalter der Globalisierung hat es einigen anderen Staaten ermöglicht, wirtschaftlich mächtiger zu werden. Nachdem der chinesische Führer Deng Xiaoping 1978 Reformen eingeleitet hatte, liberalisierte China seine staatskapitalistische Wirtschaft. Sie war zwar immer noch stark staatlich gelenkt, wurde aber privatisiert und für ausländische Investitionen geöffnet. Heute macht das Privatkapital 60 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts aus.

Am Ende des Kalten Krieges im Jahr 1991 waren die USA die einzige militärische Supermacht. Doch Teile der herrschenden Klasse in den USA sahen sich durch wirtschaftliche Konkurrenz bedroht.

In den 2000er Jahren führten sie eine Reihe von Kriegen im Nahen Osten, die zu großen geopolitischen Niederlagen führten. Im Jahr 2003 marschierten die USA in den Irak ein und stürzten Saddam Hussein. Damit wurde ein wichtiger Rivale des Iran in der Region beseitigt.

Die iranische herrschende Klasse hatte enge Verbindungen zu Husseins rivalisierenden Parteien wie der Dawa-Partei, die das von den USA nach der Invasion im Irak eingeführte sektiererische System dominieren sollte. Die Zerschlagung der irakischen Gesellschaftsordnung durch die USA führte 2014 zum Aufstieg von Isis, die drohte, die neue irakische Regierung zu stürzen.

Die USA waren gezwungen, mit dem Iran zusammenzuarbeiten – einem Staat, den sie als Teil einer »Achse des Bösen« bezeichneten. Dies trug dazu bei, die regionale Macht des Irans zu stärken.

Andererseits hatte die US-amerikanische Ölpolitik die Entwicklung des Irans behindert. Nach den Misserfolgen im Irak führten die Sanktionen des damaligen Präsidenten Barack Obama im Jahr 2010 dazu, dass die iranischen Ölexporte ins Ausland von 88 Milliarden Pfund in den Jahren 2009-10 auf 6,6 Milliarden Pfund in den Jahren 2019-20 zurückgingen.

Das war ein Rückschlag – aber China füllte die Lücke. Heute werden rund 90 Prozent des iranischen Öls nach China exportiert.

Dies zeigt, wie der Niedergang der US-Macht in der Region Raum für chinesische Investitionen geschaffen hat.

China hat die wirtschaftliche Entwicklung im Nahen Osten, nicht nur im Iran, durch sein massives Programm für Infrastrukturinvestitionen, die Initiative Belt and Road (BRI), gefördert. Weil die militärischen Interventionen der USA in der Region zu instabilen Regimen geführt haben, die diese Entwicklung nicht selbst finanzieren können, findet die BRI bei den Staaten Anklang.

Aber es sind nicht nur die natürlichen Ressourcen, die es dem Iran ermöglicht haben, nach regionaler Macht zu streben. Die sozialistische Autorin Anne Alexander schreibt: »Das Wachstum des iranischen verarbeitenden Gewerbes war ein wichtiges Polster, um den Schlag der erneuten US-Sanktionen gegen die Ölindustrie im Jahr 2018 abzufedern.«

Sie weist darauf hin, dass auch die iranische Drohnenproduktion von Bedeutung ist. Seine Drohnen werden von der jemenitischen Widerstandsgruppe der Huthis sowie von Russland bei seiner Invasion in der Ukraine eingesetzt.

Die Produktion hilft dem Land, um die regionale Vorherrschaft zu kämpfen und den globalen imperialistischen Wettbewerb mitzugestalten.

Dieser globale Wettbewerb zwischen einer untergehenden Supermacht und ihrem Hauptkonkurrenten prägt die regionale Dynamik im Nahen Osten. Die USA, die mit China konkurrieren, versuchen verzweifelt, ihren Einfluss in der Region zu wahren.

Donald Trump ist in letzter Zeit dazu übergegangen, Handelsabkommen mit arabischen Ländern für Waffen, Energie und Industrieprodukte zu schließen. Der wichtigste imperialistische Vorposten der USA im Nahen Osten ist jedoch Israel. Israel ist für einen Großteil des anhaltenden Konflikts im Nahen Osten verantwortlich.

Es ist nicht nur die Schaffung eines israelischen Apartheidstaates, die zu Spannungen geführt hat. Der Westen, in erster Linie die USA, sorgt dafür, dass Israel einen militärischen Vorteil behält, um potenzielle Rivalen seiner Interessen abzuschrecken.

Aber Israel ist, wie andere imperialistische Verbündete, nicht einfach ein verlängerter Arm der USA. Es hat seine eigenen Interessen – der Ausbruch des Krieges mit dem Iran ist nur das jüngste Beispiel.

Trump hat gezögert, bevor er beschloss, den Iran zu bombardieren. Das liegt daran, dass der US-Imperialismus nicht mehr die gleiche Kraft hat wie früher.

Seine Entscheidung, sich an einem weiteren Krieg im Nahen Osten zu beteiligen, um Israel zu unterstützen, könnte den Einfluss, den Trump bei anderen Golfstaaten aufzubauen begonnen hat, weiter untergraben.

Imperialismus ist eine Dynamik, die alle Staaten erfasst.

Sozialist:innen stehen diesem Konflikt nicht tatenlos gegenüber. Der Iran hat Recht, wenn er Vergeltung an Israel übt, und jeder Schlag gegen den westlichen Imperialismus ist willkommen.

Aber wir können auch auf eine Vertiefung des Widerstands hoffen. Der russische Revolutionär Leo Trotzki wies darauf hin, dass die Entwicklung im Kapitalismus zwar ungleichmäßig verläuft, aber dennoch einheitlich ist. Verschiedene Entwicklungsstufen können ineinander übergehen und sich gegenseitig beeinflussen.

Der Iran zum Beispiel hat sich durch eine moderne kapitalistische Produktion entwickelt, hält aber ein theokratisches Regime aufrecht. Diese Kombination schafft Widersprüche.

Die Entwicklung eines eigenen Kapitalismus im Iran, in der Türkei und in Ägypten hat eine starke Arbeiterklasse hervorgebracht. Und so wie der Kapitalismus in den USA eine Krise hervorgebracht hat, gibt es in diesen Staaten einen ständigen Widerstand gegen die Schrecken des Kapitalismus.

Regime können Schlachten gegen den Imperialismus schlagen – Sozialisten sollten sich für die Niederlage Israels einsetzen. Aber selbst wenn der Iran Israel besiegt, bleibt er eine regionale imperialistische Macht mit eigenen Interessen. Seine eigene Position und die globale Position Chinas würden gestärkt werden.

Der Weg zur Befreiung liegt nicht bei den Regimen im Nahen Osten. Die Hoffnung liegt in dem revolutionären Potential der Arbeiterklasse, den Imperialismus und ihre eigenen Herrschenden herauszufordern.


Dieser Artikel erschien am 21. Juni 2025 bei Socialist Worker

Titelbild: Guy Smallman