Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu besuchte am Montag das Weiße Haus und US-Präsident Donald Trump in Washington D.C.

Trumps »Friedensplan«: Es geht um den Westen, nicht um Gaza

Trumps »Friedensplan« für den Gazastreifen, der von westlichen Führern als Weg zum Frieden angekündigt wird, ist ein weiteres imperialistisches Täuschungsmanöver. Von Somhairle Mag Uidhir.

Nach zwei Jahren des Völkermords liegt ein sogenannter Friedensplan für die Palästinenser auf dem Tisch. Und die Schreckgespenster und Leichenfledderer des westlichen Imperialismus wurden heraufbeschworen, um ihn zu verteidigen.

Das 20 Punkte umfassende Dokument mit der Bezeichnung »Präsident Donald J. Trumps umfassender Plan zur Beendigung des Gaza-Konflikts« wurde jetzt auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus vorgestellt. Es trägt den Namen eines Kriegsverbrechers, wird mit Netanjahu von einem weiteren Kriegsverbrecher unterstützt. Und eine Hauptrolle spielt ein dritter: der Sensenmann des Nahen Ostens, Tony Blair, ehemaliger britischer Ministerpräsident von der Labour Party.

Der »Friedensplan«

Das Dokument enthält ein Sammelsurium verschiedener Waffenstillstandsabkommen, die in den vergangenen achtzehn Monaten verkündet wurden. Das gemeinsame Thema ist die Einstellung der Bombardierung und gleichzeitig die Garantie, das Elend der Palästinenser:innen mit anderen Mitteln fortzusetzen.

Im Gegenzug für die vollständige Entwaffnung der Hamas und die Rückkehr der israelischen Geiseln »… wird der Krieg sofort beendet. Die israelischen Streitkräfte ziehen sich bis zu einer vereinbarten Linie zurück, um die Freilassung von Geiseln vorzubereiten. Während dieser Zeit werden alle militärischen Operationen, einschließlich Luft- und Artilleriebeschuss, eingestellt. Die Kampflinien bleiben eingefroren, bis die Bedingungen für einen vollständigen, schrittweisen Rückzug erfüllt sind.«

Palästinensische Gefangene werden ebenfalls freigelassen. Laut Trumps Dokument erhalten »Hamas-Mitglieder, die sich zur friedlichen Koexistenz verpflichten und ihre Waffen abgeben, Amnestie«. Hilfslieferungen werden zwar zugelassen. Aber es gibt keine Verpflichtung zur Aufstockung der Hilfe, die notwendig wäre, um der Lage vor Ort gerecht zu werden.

»Internationale Institutionen« sind keine Garantie für Menschenrechte

Die Vereinten Nationen sollen in die Verteilung mit einbezogen werden. Es wird aber die Möglichkeit offen gelassen, dass auch andere »internationale Institutionen« Funktionen übernehmen. Angesichts der Beteiligung der Gaza Humanitarian Foundation an den Massakern in den Hilfszentren ist das sehr beunruhigend.

Der größte Teil des Plans betrifft die Zeit nach dem sogenannten Krieg. Die hier unterbreitete Vision ist getränkt von imperialer Komplizenschaft und palästinensischer Unterwerfung (mehr dazu weiter unten). Noch schlimmer sind die Details, die die sofortige Beendigung des mörderischen Feldzugs Israels betreffen.

Israel wird sich nicht sofort vollständig aus dem Gazastreifen zurückziehen müssen, sondern nur schrittweise. Wie Ryan Grim von der US-amerikanischen Investigativplattform Dropsite News berichtet, besteht eine Hauptforderung der Hamas darin, dass die USA als Garant für das Abkommen eintreten, da sie Netanjahu nicht vertrauen. Jeder bisherige »Waffenstillstand« hat eine Blutspur hinterlassen. Israel brach die Waffenruhe ungestraft und setzte sein Gemetzel fort, während es gleichzeitig behauptet – und dabei lügt –, es reagiere auf die palästinensische »Aggression«.

Spielraum für Israel

Dieser jüngste Plan ist ein weiterer in einer langen Reihe von Abkommen, die Israel viel Spielraum lassen, den Völkermord nach Lust und Laune fortzusetzen. Netanjahu selbst wandte sich nur wenige Stunden nach der Konferenz im Weißen Haus auf Hebräisch an die israelischen Medien und prahlte:

»Dies ist ein historischer Besuch. Anstatt dass die Hamas uns isoliert, haben wir den Spieß umgedreht und die Hamas isoliert. Jetzt übt die ganze Welt, einschließlich der arabischen und muslimischen Welt, Druck auf die Hamas aus, die Bedingungen zu akzeptieren, die wir gemeinsam mit Präsident Trump aufgestellt haben: die Freilassung unserer Geiseln, die lebenden wie die verstorbenen, während die IDF [Israelischen Streitkräfte] in einem Großteil des Gazastreifens verbleiben. Wer hätte das erwartet? Schließlich heißt es immer, die IDF sollten sich zurückziehen. […] Nein, das wird nicht passieren.«

Trump sagte, Israel werde seine »volle Rückendeckung« haben, wenn die Hamas dieses Abkommen bricht, um »die Sache zu Ende zu bringen« – was eindeutig grünes Licht für weiteren Völkermord bedeutet, wenn man bedenkt, dass Israel die Darstellung dessen bestimmt, was die Hamas getan oder auch nicht getan hat.

Letztlich geht es bei diesem Waffenstillstandsabkommen, wie bei vielen anderen zuvor, um den Westen und die anderen arabischen Staaten – nicht um Palästina.

Ein Plan, um den westlichen Machthabern etwas Ruhe zu gönnen

Die Global Sumud Flotilla, die größte Flotte der Geschichte, hat sich auf den Weg nach Gaza gemacht. Israel hat sie wiederholt angegriffen, um sie abzuschrecken, doch die Teilnehmenden waren entschlossen, die Belagerung zu durchbrechen und einige Schiffe haben es fast bis vor die Küste Gazas geschafft. Und trotz des Anscheins der Immunität nimmt der Druck auf die westlichen Regierungen zu, was die jeweiligen Machthaber deutlich spüren.

In den vergangenen Wochen haben etliche Nationen eine palästinensische Staatlichkeit anerkannt. Es gibt bereits Spekulationen über einen Boykott Israels beim Eurovision Song Contest und lauter werdende Forderungen nach dem Ausschluss Israels von internationalen Sportereignissen. Die Flotte selbst wurde zeitweise von Schiffen aus mehreren europäischen Ländern begleitet.

Die Herrschenden spüren den Druck von unten

All dies sind Hinweise darauf, wie sehr die westlichen Regierungen Druck verspüren, etwas zu tun, um sich die Bewegung vom Hals zu schaffen. Die Massenbewegung für Palästina hat es noch nicht geschafft, die imperialistische Unterstützung für das israelische Projekt zu Fall zu bringen. Es kann jedoch nicht genug betont werden, wie sehr sich unsere herrschende Klasse wünscht, dass sich dieses Problem in Luft auflöst. Italien, das von einer rechtsextremen Regierung regiert wird, ist eines der Länder, die die Flotte zeitweise begleitet haben. Das zeigt, dass die jüngsten Massenaktionen der Arbeiter:innen in Italien selbst die rechtsextremen Institutionen dazu zwingen können, etwas zu tun, was sie eigentlich nicht tun wollen.

Die unbeirrte Fahrt der Sumud-Flotte Richtung Gaza drohte eine internationale Krise für die herrschende Elite auszulösen. Das dürfte ein Grund für die Unterbreitung des Abkommens gewesen sein. Israel hat schon in früheren Jahren internationale Gesetze gebrochen, um Schiffe mit Hilfsgütern für Gaza zu stoppen – sogar trotz der Anwesenheit westlicher Kriegsmarineschiffe. Inzwischen hat Israel die über 40 Schiffe abgefangen und mehrere Hundert Teilnehmer:innen festgenommen. Israels fortgesetzte Straflosigkeit hat die  internationale Ordnung in historischem Sinne beschädigt; die Legitimität dieses Projekts ist in den Augen der Mehrheit durch ihre Komplizenschaft und Unterstützung des Völkermordes schwer erschüttert.

Befriedung der öffentlichen Meinung

Was unsere westlichen Machthaber vor allem wollen, ist, dass Palästina und die zerfetzten Kinderleichen aus den Schlagzeilen verschwinden. In diesem »Friedensabkommen« sehen sie einen Weg, dass Israel zumindest für kurze Zeit die Zerstörung des Gazastreifens unterbricht.

In der sich so verschafften Atempause hoffen sie, dass sich die Massenbewegung für Palästina in all ihren jetzigen Formen auflöst. Längerfristig hoffen sie, dass sie durch kulturelle Mätzchen wie der Austragung der Spiele der National Football League und ihre sehr viel gefährlichere Kriegstreiberei in Bezug auf Russland und China das angeschlagene Image des westlichen Kapitalismus wieder aufpolieren können.

Daher auch die überschwängliche Zustimmung der westlichen Medien zu diesem Abkommen. Nachdem sie monatelang die vielfältigen Formen der autoritären Politik von Trump angeprangert haben, ist von dieser Haltung angesichts des »Umfassenden Plans von Präsident Donald J. Trump zur Beendigung des Gaza-Konflikts« nichts mehr zu spüren. Sie können ihre Streitereien innerhalb der herrschenden Klasse vorerst beenden, da sie ein gemeinsames Interesse daran haben,  den Nahen Osten im Griff zu behalten.

Das Gleiche gilt für die Regierung der Republik Irland, die sich verbal hinter die Palästinenser:innen gestellt hat. Beschämenderweise hat Außenminister Simon Harris diesen Plan begrüßt und behauptet, er stelle »eine Chance dar, die Waffen zum Schweigen zu bringen, die Freilassung der Geiseln zu sichern und lebensnotwendige humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen«. Er hofft, dass es dazu kommt, nicht aus humanitären Gründen, sondern um den Ruf nach echten Maßnahmen zu befriedigen. Sie wissen ebenso wie wir, dass angemessene Sanktionen gegen Israel heißen würden, sich gegen die Vereinigten Staaten zu stellen, was die irische herrschende Klasse fürchtet wie der Teufel das Weihwasser.

In Deutschland erklärte Kanzler Friedrich Merz, er sehe nun eine Chance auf Frieden. Die SPD hofft, dass die Hamas nun »entmilitarisiert« wird. Die »Staatsräson« der bedingungslosen Unterstützung Israels auch mit Waffen tasten sie nicht an.

Die arabischen Diktaturen stehen auf der falschen Seite

Die Waffenstillstandsvereinbarung wird von Saudi-Arabien, Katar, Ägypten, Jordanien und der Türkei unterstützt. Sie alle üben Druck auf die Hamas aus, diese zu akzeptieren. Die herrschende Klassen der arabischen Staaten und andere in der Region wünschen, dass Gaza aus den Nachrichten verschwindet.

Die Untätigkeit und Komplizenschaft vieler dieser Staaten war bisher ebenso erbärmlich wie die des Westens. Die Herrscher am Golf, in Ägypten oder Jordanien befinden sich in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite befindet sich eine einheimische Bevölkerung, die echte Maßnahmen für Palästina fordert und nichts mit dem zionistischen Regime zu tun haben will.

Andererseits würde jede derartige Maßnahme das Projekt des arabischen und Golf-Kapitalismus gefährden, der eng mit den USA verbunden ist. Darüber hinaus wissen diese Machthaber, dass die Solidarität mit Palästina oft den Funken der Revolte in der Region entzündet hat. Das wollen sie unbedingt vermeiden. Die Erinnerung an den Arabischen Frühling ist immer noch stark.

Kriegsverbrecher und Profiteure

Und es sind Staaten wie Katar, Saudi-Arabien, Ägypten, die sich am stärksten für eine der hässlichsten Bestimmungen in Trumps Abkommen eingesetzt haben: das internationale Aufsichtsgremium, das den Gazastreifen verwalten soll. Trumps »Board of Peace« soll »ein technokratisches, unpolitisches palästinensisches Komitee [sein], das für den täglichen Betrieb der öffentlichen Dienste und Gemeinden für die Menschen in Gaza verantwortlich ist.

Dieses Komitee wird sich aus qualifizierten Palästinenser:innenn und internationalen Experten zusammensetzen und von einer neuen internationalen Übergangsbehörde, dem ‚Board of Peace‘, überwacht, das von Präsident Donald J. Trump geleitet wird. Weitere Mitglieder, darunter der ehemalige britische Premierminister Tony Blair, werden noch bekannt gegeben.«

Ein solches Gremium wird einigen arabischen Herrschern die Möglichkeit geben, zu behaupten, dass Israel kein Mitspracherecht mehr habe. Sie werden hoffen, dass damit die Wut über das, was dem Gazastreifen angetan wurde, abflaut. Dies steht auch im Einklang mit der wirtschaftlichen Vision für die Region, bei der sich die USA und die Golfstaaten weitgehend einig sind.

Das Dokument erwähnt »blühende moderne Wunderstädte im Nahen Osten«, eine Anspielung auf die Golfstaaten. Es spricht von »durchdachten Investitionsvorschlägen und aufregenden Entwicklungsideen, die von wohlmeinenden internationalen Gruppen erarbeitet wurden«. Das sind die üblichen Euphemismen für westliche Ausplünderung und Ausbeutung.

Die arabischen Staaten haben in Zusammenarbeit mit Washington eine weitere Aufgabe zu erfüllen: »…eine vorübergehende internationale Stabilisierungstruppe (ISF) aufzubauen, die umgehend im Gazastreifen eingesetzt wird. Die ISF wird überprüfte palästinensische Polizeikräfte im Gazastreifen ausbilden und unterstützen. Jordanien und Ägypten sollen sie beraten, da sie über umfangreiche Erfahrungen in diesem Bereich verfügen.

Keine Normalisierung von Völkermord!

Diese Truppe wird die langfristige Lösung für die innere Sicherheit sein. Die ISF wird mit Israel und Ägypten zusammenarbeiten, um gemeinsam mit den neu ausgebildeten palästinensischen Polizeikräften die Grenzgebiete zu sichern.«

Der Rückzug Israels aus Abschnitten des Gazastreifens hängt von der Fähigkeit der ISF ab, »Kontrolle und Stabilität« zu erreichen. Die israelischen Streitkräfte ziehen sich im Rahmen der Entmilitarisierung »auf der Grundlage von Standards, Meilensteinen und Zeitplänen, die zwischen den IDF, den ISF, den Garantiemächten und den Vereinigten Staaten vereinbart werden, zurück«.

Kurz gesagt, es handelt sich um ein ähnliches Rezept wie das der Palästinensischen Autoritätsbehörde (PA) im Westjordanland. Wobei eine Reihe von Staaten aus dem gesamten Nahen Osten und Nordafrika nun wahrscheinlich direkt mit Israel bei der Verwaltung der politischen und militärischen Besetzung des Gazastreifens zusammenarbeiten werden.

Seit Trump wieder an der Macht ist, konzentrieren sich viele seiner Bemühungen in der Region auf die Wiederbelebung des Abraham-Abkommens. Dabei geht es darum, die Beziehungen zwischen Israel und den Nachbarstaaten, insbesondere den Golfstaaten, zu normalisieren. Dieses jüngste Abkommen hat vor allem dieses Ziel.

Neuverpackung des Kolonialismus

Dieser Friedensplan bedeutet eine weitere koloniale Zerstückelung Palästinas. Und die Herrschenden verkaufen es uns so, als sollten wir dafür dankbar sein. Dazu gehört auch die symbolische Erwähnung des imperialistischen Feigenblattes des Westens: die Zweistaatenlösung.

Allein die Tatsache, dass Tony Blair dabei eine Hauptrolle zukommt, ist entlarvend für diesen. Blair hat nach der mörderischen Besetzung Iraks, die er und George W. Bush Jr. 2003 verantwortet haben, das Blut von einer Million Irakern an seinen Händen. Anstatt für seine Kriegsverbrechen hinter Gitter zu kommen, wurde er später zum Sondergesandten für den Nahen Osten des Quartetts aus den Vereinten Nationen, den USA, der EU und Russland ernannt.

In dieser Zeit begann er, was der britische Journalist Jonathan Cook als »Selbstbereicherung durch Beratertätigkeiten und Geschäfte mit Diktatoren« beschreibt. Er gab diesen Posten 2015 auf, arbeitete aber weiterhin im Nahen Osten über das Tony Blair Institute for Global Change. Das war Berichten zufolge an Trumps Plänen beteiligt, eine Gaza-Riviera auf den Gebeinen der toten Palästinenser:innen Gazas zu errichten.

Lasst unsere eigenen Herrschenden nicht damit durchkommen

Im Gespräch mit Sky News bezeichnete der prominente Palästinenser Mustafa Barghouti Blairs Engagement als »ein Rezept für die Fortsetzung des Kriegs, nicht für die Beendigung«. Und genau das ist dieses ganze »Friedensabkommen«. Ein Rezept für die Aufrechterhaltung der gewaltsamen Unterdrückung der Palästinenser:innen, aber auf eine Weise, die nicht die Nachrichten beherrscht. So hoffen es zumindest die Herrschenden im Westen und in den arabischen Staaten.

Die Menschen in Gaza wollen ein Ende des Bombardements, egal ob die Hamas das vorgeschlagene Abkommen akzeptiert oder nicht. Es ist jedoch unsere Aufgabe im Westen, unsere Herrscher nicht damit durchkommen zu lassen.

Das bedeutet, dass wir verurteilen, was den Palästinenser:innen »angeboten« wird: ein Abkommen, das Israel die Möglichkeit gibt, sein Gemetzel nach Belieben fortzusetzen, und das gleichzeitig den Weg für eine weitere brutale Besetzung mit anderen Methoden ebnet. Wir müssen verstehen, warum unsere Herrschenden darauf drängen. Und wir dürfen ihnen und ihrem »Friedensplan« keine Minute Ruhe gönnen – nicht bevor wir alles in unserer Macht Stehende getan haben, den Zionismus zu beenden.


Zuerst erschienen bei Rebel News Ireland.

Foto: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu besucht das Weiße Haus und US-Präsident Donald Trump in Washington D.C. (SAUL LOEB / AFP / picturedesk.com)