Asylrecht verteidigen: Fluchtursachen bekämpfen

Mit der Einführung harter Grenzkontrollen und der faktischen Abschaffung von individuellem Asylrecht in Deutschland vollzieht die Merz-Regierung eine illegale Kehrtwende in der deutschen Asylpolitik. Wasser auf die Mühlen der AfD meint Gerrit Peters

An ihrem ersten Tag im Amt, dem 8. Mai, führte die neue Bundesregierung unter Kanzler Merz Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen ein. Grenzkontrollen, bei denen auch Menschen abgewiesen werden, die bei uns Schutz suchen. Schutz vor Krieg, Verfolgung, den Folgen der Klimakatastrophe oder vor Armut. Friedrich Merz hatte schon im Wahlkampf eine »Kehrtwende in der Asylpolitik« und ein »faktisches Einreiseverbot«, welches »ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch« gilt, angekündigt.

Weitere Verschärfungen der Migrationspolitik wurden auf einer Kabinettssitzung am 28. Mai beschlossen: das »Ende der schnelleren Einbürgerung und [der] Stopp des Familiennachzugs für subsidiär geschützte Flüchtlinge.« Der Paritätische Gesamtverband übte schon im Vorfeld scharfe Kritik an den Plänen und bezeichnete sie als massiven »Eingriff in die Grund- und Menschenrechte«. Sichere Zugangswege wie der Familiennachzug seien laut dem Verband »die einzigen Einreisemöglichkeiten für Schutzsuchende, insbesondere für Frauen und Kinder, bei denen sie sich nicht auf lebensgefährliche Wege begeben müssen«.

Kontinuierlich nach rechts

In den letzten Jahren ist das Asylrecht europaweit ausgehöhlt und missachtet worden – in Polen, auf dem Balkan, in Griechenland und Italien. Der Vorstoß der Merz-Regierung ist nun der finale Sargnagel für das Recht auf Asyl. 

Es war ein schleichender Prozess, in dem erst zivile Seenotrettung kriminalisiert und schließlich tote Menschen im Mittelmeer und später in polnischen und belarussischen Wäldern normalisiert wurden. Aber es ist nicht normal, wenn Menschen die Hilfe verweigert wird und sie dadurch ertrinken oder erfrieren.

Protest gegen Merz’ Angriff

Es ist richtig, Friedrich Merz jetzt für seine unmenschliche Politik zu kritisieren, für die er im Wahlkampf sogar eine Zusammenarbeit mit der AfD in Kauf nahm. Es war wichtig, dass daraufhin landesweit große Proteste ausbrachen, die Tage später verhinderten, dass der Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Asylrechts eine Mehrheit im Parlament bekam. Der Druck der Bewegung auf die bürgerlichen Parteien rechts der Mitte war erfolgreich, sodass insgesamt 35 Abgeordnete von CDU/CSU und FPD nicht an der Abstimmung teilnahmen, sich enthielten oder mit »Nein« stimmten.

Auch aus der Politik gab es scharfe Kritik an Merz’ Vorgehen, der sich damit abseits des bürgerlich-demokratischen Konsens bewegte: Mit Feinden der Demokratie arbeitet man nicht zusammen. 

Was jedoch auffällt bei der Kritik an Merz ist, dass nur die Zusammenarbeit mit der AfD kritisiert wurde und nicht der Inhalt seines »Zustrombegrenzungsgesetzes«. Annalena Baerbock tadelte lediglich Merz »nationalstaatlichen Alleingang« und brachte es auf den Punkt, als sie sagte, dass die Pläne der CDU/CSU im Großen und Ganzen schon mit der im letzten Jahr beschlossenen GEAS Reform umsetzbar wären. 

Tiefpunkt Asylrecht

GEAS ist laut PRO ASYL »ein historischer Tiefpunkt der EU, mit dem künftig selbst Kinder in Grenzverfahren an den Außengrenzen in Haft genommen werden können«. Auch hierzu hat Olaf Scholz bereits 2023 beigetragen, als er ankündigte, er werde »endlich im großen Stil abschieben«.

Es ist fatal, wie fast alle Parteien den menschenfeindlichen Positionen der AfD in Sachen Abschottung in dem Glauben hinterherlaufen, dass sie ihr dadurch Wählerstimmen klauen könnten. Denn das Gegenteil ist der Fall: Die faschistische Ideologie der Nazis in der AfD wird dadurch normalisiert und ihre Positionen legitimiert. 

Merz aktuelles Vorgehen ist darüber hinaus in zweierlei Hinsicht gefährlich. Laut Clara Bünger, Mitglied im Rechtsausschuss der Linken im Bundestag, hat die Zurückweisung von Schutzsuchenden an den Grenzen »potenziell tödliche Folgen«. Asylsuchende müssten dadurch auf noch gefährlichere Routen ausweichen. »In den letzten Jahren kam es in Grenznähe bereits zu einer Häufung von Verkehrsunfällen mit Fluchtfahrzeugen, bei denen Flüchtende teils schwer verletzt wurden oder sogar tödlich verunglückten. Das wird sich noch verschärfen, wenn die neue Bundesregierung ihre Politik nicht ändert«, so Bünger.

Merz und Dobrindt vor Gericht

Der »Rechtsbruch mit Ansage« (Bünger) ist laut der Legal Tribune Online (LTO) eine »rechtswidrige Maßnahme«, die »den Rechtsstaat und seine Akzeptanz in der Bevölkerung« gefährde. Fakt ist: Die Merz-Regierung schafft mit ihrer Praxis illegal Fakten, bevor der Europäische Gerichtshof das Vorgehen in jahrelangen Prozessen vermutlich verbieten wird. Die LTO dazu: »Was würde Merz tun, wenn die Gerichte Zurückweisungen für rechtswidrig erklären? […] Wird er eine Kampagne gegen die Gerichte und die Richter starten, wie Polen unter der PIS-Regierung? […] Die CDU/CSU spielt mit dem Feuer.«

Die Regierenden brechen wissentlich geltendes Recht, um ihr brutales Programm der Aus- und Zurückweisungen weiter in die Tat umzusetzen. Selbst nach einem kürzlichen Gerichtsurteil über die Rechtswidrigkeit der Rückführungen will Merz an den illegalen Maßnahmen festhalten. Gleichzeitig werden Versammlungen gegen Kriegsverbrechen und den Völkermord in Gaza seit dessen Beginn kriminalisiert und mit staatlicher Repression und willkürlicher Polizeigewalt überzogen. 

Diese Doppelmoral ist kein individueller Fehltritt von Merz oder Dobrindt in einem gesellschaftlichen Rechtsruck, sondern der Kern bürgerlicher Politik. Bundeskanzler Merz und Innenminister Dobrindt gehören für ihre Rechtsverstöße vor Gericht. Die Tatsache, das dies nicht geschieht, ist kein Fehler im System, sondern gerade Ausdruck bürgerlicher Herrschaft. Die Regierenden und ihre Reichen-Cliquen folgen dem Rechtsstaat, wenn es ihnen nutzt; ebenso stellen sie sich über den Rechtsstaat, wenn es ihnen nicht nutzt.

Die Gefahr kommt von rechts, nicht aus Afghanistan

Es ist nicht nur aus juristischer Sicht ein Spiel mit dem Feuer. Merz heizt die gesellschaftliche Stimmung gegen Geflüchtete mit seiner Maßnahme weiter an. Erst vor wenigen Tagen wurde eine rechte Terrorzelle aufgedeckt. Den Beschuldigten werden Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte und weitere geplante Taten vorgeworfen. Dafür wurden unter anderem Kugelbomben mit großer Sprengwirkung beschafft.

Bei einem mutmaßlich rechten Brandanschlag in Solingen im März 2024 wurden vier Mitglieder einer bulgarisch-türkischen Familie umgebracht. Die Behörden versuchten offenbar, einen rassistischen Hintergrund zu vertuschen, wie nun bekannt wurde. Sie löschten einen entsprechenden Vermerk. 

Die tödliche Gefahr für Asylsuchende und Menschen mit Migrationshintergrund ist in Deutschland sehr real.

Weiße sind nicht sicher vor rechter Gewalt

Große Massenproteste wie nach dem aufgedeckten Remigrations-Treffen der AfD in Potsdam oder nach Merz’ Vorstoß zur Zusammenarbeit mit der AfD bleiben aktuell aus. Dabei haben sie gezeigt, welche Wirkung sie haben können. Sie waren es, die die Reihen der CDU haben wackeln lassen. Sie haben das Zustrombegrenzungsgesetz verhindert. Sie haben gezeigt, dass sich ein Großteil der Menschen klar gegen Faschismus und Rassismus stellt.

Daran muss angeknüpft werden, nur so kann dem Rechtsruck entgegengewirkt werden, der allein der faschistischen AfD nützen wird. Der Kampf gegen Faschismus muss ein antirassistischer Kampf sein. Ein Kampf, der antimuslimischen Rassismus klar benennt und keine geteilte Solidarität mit Betroffenen von Rassismus kennt. 

Ohne ein klares Bekenntnis zum individuellen Recht auf politisches Asyl kann eine Bewegung den Rassismus der AfD nicht brechen. Und es werden letztendlich nicht nur von Rassismus Betroffene sein, die unter der AfD leiden. Alle, die mit den Remigrationsplänen der Nazis nicht einverstanden sind, stehen auf ihrer Abschussliste. Oder wie Björn Höcke es ausdrückt: »[Wir werden] leider ein paar Volksteile verlieren […], die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen«. Dafür plant der Faschist eine Politik der »wohltemperierten Grausamkeit« – ein beschönigender Ausdruck für Massenmord.


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