Im Hochschulpakt der hessischen Landesregierung wird die Finanzierung der öffentlichen Hochschulen und Universitäten festgelegt. Die aktuell beschlossenen Kürzungen werden die Hochschulen um Jahre zurückwerfen und die Bildung massiv verschlechtern. Von Simo Dorn
Am 8. Juli 2025 demonstrierten 2.000 Beschäftigte und Studierende der Technischen Universität Darmstadt gegen die von der Landesregierung geplanten milliardenschweren Einschnitte in der Hochschulfinanzierung bis 2030.
Defizit von einer Milliarde Euro für Lehre und Forschung
Anlass war das geplante Defizit von rund 1 Milliarde Euro im Zeitraum 2026-2030 für die hessischen Hochschulen, das einen Stellenabbau von etwa 10 Prozent des Hochschulpersonals nach sich ziehen würde. Der Personalrat der TU Darmstadt, die Gewerkschaft ver.di und das Uni-Präsidium warnten in einer Personalversammlung vor signifikanten Folgen für die Lehre, Forschung und die Existenzgrundlage vieler Beschäftigter. Mehr als 500 Beschäftigte nahmen an der Versammlung teil. Viele Angestellte meldeten sich aktiv zu Wort, um über die Auswirkungen an ihren Instituten zu warnen, berichtete eine ver.di-Vertrauensperson.
Die Vertrauensleute von ver.di betonten, dass es zu keinerlei Verteilungskampf unter den Fachbereichen oder Beschäftigten kommen darf. Die schwarz-rote Landesregierung sei hier in der Verantwortung, die benötigten Mittel für gute Bildung, Forschung und Arbeitsbedingungen aufzutreiben – notfalls durch die Besteuerung von Reichtum.
Das Studienangebot wird kleiner, der Leistungsdruck größer
Der Senat der Frankfurt University of Applied Sciences hatte bereits am 9. Juli entschieden, zwei ingenieurwissenschaftliche Bachelorstudiengänge einzustellen und weitere Einschränkungen zu prüfen – als direkte Reaktion auf das drohende Defizit. Gravierende Einschnitte in der Lehre und höhere Semesterbeiträge für Studierende werden auch an der TU Darmstadt und den anderen Hochschulen in Hessen erwartet.
Welche Auswirkungen die Kürzungen haben werden, ist in vielen Hochschulen und Universitäten noch nicht final absehbar – auch weil die Verhandlungen andauern. Was aber feststeht ist, dass die Folgen auch für die Studierenden und Auszubildenden gravierend sein werden: höhere Studiengebühren, weniger Vorlesungen und Studiengänge, die ein »Studium in Regelstudienzeit« erschweren wird. Diese ist aber die Förderungshöchstdauer für BAföG-Bezug. Treffen werden die Kürzungen erneut junge Menschen, die keine finanzielle Unterstützung von Eltern oder Familie erhalten.
Die hessische Landesregierung steht unter Druck, im finalen Pakt substanzielle Nachbesserungen einzubauen – sonst droht ein Kollaps im hessischen Hochschulsystem, der tausende junge Menschen in bedrohliche Zukunftsaussichten zwingt.
Kürzungen haben System
Nicht allein in Hessen, sondern auch in Berlin stehen Hochschulen vor massiven Kürzungen. So verhandeln Universität und Landesregierung Mitte Juli über die kommende Finanzierung. Bereits Ende Mai gab es Proteste an der Freien Universität Berlin. Auf der Kundgebung mit 500 Teilnehmenden, organisiert von SDS und Studis gegen Rechts, wurde neben den Arbeitsbedingungen in verschiedenen Dezernanten die Verbindung zwischen militärischer Aufrüstung und Kürzungen in der Bildung und Forschung gezogen.
»Bei der Rüstung sind sie fix, für die Bildung tun sie nix«
Auf der Demonstration in Darmstadt wurde von Gewerkschaftern auf die gigantischen Summen für die Aufrüstung und den gleichzeitigen Kürzungen in der Forschung hingewiesen. Ob bewusst oder unbewusst, reihen sich die Kürzungen in die sich zuspitzenden militärischen Konflikte und die sich verschärfende imperialistische Konkurrenz auf der Welt ein.
Im Zug des Angriffs der russischen Armee auf die Ukraine im Frühjahr 2022 und des sich entfaltenden Stellvertreterkrieges auf ukrainischem Boden haben sich BMBF, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) für ein Aufhebung dieser Trennung von ziviler und militärischer Forschung ausgesprochen. Das unausgesprochene Ziel ist die Streichung der Zivilklauseln in Deutschland. Die Präsidentin der TU Darmstadt Tanja Brühl (SPD) ist Mitglied der Akademie der Technikwissenschaften und war Teil des »Zukunftsrat des Bundeskanzlers: Zeitenwende erfordert mehr Innovationsfähigkeit« unter Olaf Scholz, der für mehr militärische Forschung in Deutschland wirbt.
Als »Positivbeispiele« einer stärkeren militärischen Forschung nennt das obene genannte EFI etwa den US-Think Tank DARPA oder die israelische IDF Einheit 8200, zuständig für geheime Operationen, das Sammeln von Signalinformationen und die Entschlüsselung von Codes, die Spionageabwehr, die Cyberkriegsführung, die militärische Aufklärung und die Überwachung. Die IDF Einheit 8200 entwickelte die Software »Lavender« mit und ist direkt am Völkermord in Gaza beteiligt.
Ziel: mehr militärische Forschung für die Bundeswehr
In dieser Entwicklung reiht sich auch die Änderung des Bundeswehrgesetz in Bayern im Juli 2024. Mit der vorgenommenen Änderung sind Hochschulen nun verpflichtet, militärischer Forschung und deren Kooperation zuzustimmen, wenn die »nationale Sicherheit bedroht« sei. Die Gefahr besteht, dass dies zum Fallbeispiel für das ganze Bundesgebiet werden könnte.
Auskömmliche Drittmittel, die es in der militärischen Forschung zahlreich gibt, werden für Hochschulen und Universitäten immer attraktiver, jetzt da der Hochschulpakt Gesetz ist.
Titelbild: TU ver.di-Kanal (08.07.25)