Protestierende in L. A.

Los Angeles legt sich mit ICE, LAPD, Nationalgarde und Marine an

Los Angeles hat vier Tage in Folge die Rechte von Migrant:innen verteidigt. Meist angeführt von der Community Self Defence Coalition (Kommunales Selbstverteidigungsbündnis) gingen nach einer Reihe Razzien der Einwanderungs- und Zollbehörde ICE in der Stadt Tausende auf die Straße. US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, dass die ICE 30 Tage lang in LA bleiben soll. Von Clare Lemlich

Am Freitag, den 6. Juni, gab es bereits eine Razzia auf die Baumarktkette Home Depot und Widerstand der Gemeinde dagegen. Die Proteste setzten sich über das Wochenende an verschiedenen Orten der Razzien und dem Bundesgefängnis in der Innenstadt fort. Einige Stadtviertel sahen wie Kriegsgebiete aus, als die Polizei von Los Angeles (LAPD) ihre »weniger tödlichen« Blendgranaten und Tränengas gegen die Protestierenden einsetzte.

Am Samstag, den 8. Juni, umringten über 10.000 Menschen das Gebiet in der Stadtmitte von LA mit den Regierungsgebäuden. Dort ist auch das Bundesgefängnis, wo die ICE die in den vergangenen Tagen gekidnappten über 100 Migrant:innen im Keller festgesetzt hat. Am Montagmorgen war das gesamte Gebäude mit Graffiti bedeckt, mit Sprüchen wie »Alle meine Freunde hassen die ICE« und »Ich habe es für meine Mutter getan«.

Stundenlang hat die Menge an jeder Ecke des Bundesgefängnisses ausgeharrt und die nahegelegene Autobahn 101 blockiert. Die Nationalgarde stand hinter den Polizeiketten und die LAPD setzte immer wieder Blendgranaten ein, um die Menge einzuschüchtern und zu desorientieren. Sie feuerten Gummigeschosse ab und zielten auch bewusst auf anwesende internationale Reporter:innen.

Am frühen Abend feuerte die Polizei Blendgranaten in die Menge und konnte die Autobahn freiräumen. Wegen der unverhältnismäßigen Gewaltanwendung der LAPD und dem breiten Einsatz von Tränengas bewarfen einige Aktivist:innen ihre Autos mit Steinen und setzten die Waymo-Robotaxis in der Nähe in Brand. Für viele gelten sie als Symbol des Tech-Bro-Kapitalismus (den Kapitalismus der Techmilliardäre wie Elon Musk) und Steuervermeidung der Konzerne. Waymo hat vorläufig seine Dienste in der Innenstadt eingestellt.

Liberale und die Deportationen

Liberale haben Trumps Einsatz der Nationalgarde am Samstag und der Marinesoldaten am Montagnachmittag verurteilt. Die Bürgermeisterin von LA, Karen Bass, und der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom (ein möglicher zukünftiger Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei) kritisierten Trump für seinen Übergriff auf den ersten Sanctuary State (»Zufluchtsstaaten« haben erklärt, dass sie die Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden für Immigration beschränken wollen). Dies ist das erste Mal seit 1965, dass ein Präsident die Nationalgarde mobilisiert hat, ohne von dem Gouverneur des Staats dazu aufgefordert worden zu sein.

Trump ist es nicht gelungen, Menschen so schnell, wie er es versprochen hatte, zu deportieren. Es geht also an erster Stelle darum, seinen rassistischen Anhängern zu beweisen, dass er sein Wahlversprechen umsetzt.

Abgesehen von dem Ziel der Deportationen selbst, ist dieses Scharmützel mit Kalifornien eine neue Etappe in der Auseinandersetzung zwischen den »blauen«, demokratisch regierten Staaten und Trumps weiteren Zielen, den organisatorischen Rahmen für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (Diversity, Equitiy, Inclusion; DEI) abzuschaffen, die Universitäten umzubauen und Communitys zu zerreißen. Die kalifornische Stadt Glendale hat Verträge mit der ICE ausgesetzt, und Santa Ana überlegt, die Gemeinden zu warnen, wenn die ICE in das Gebiet eindringt. Von Stadträten bis zum Gouverneur begreift jede kalifornische politische Institution, dass Razzien tief verhasst sind. In Los Angeles sind ein Drittel der Bevölkerung Immigrant:innen und der Staat beherbergt die größte Gemeinschaft von Menschen ohne Papiere.

Keine falschen Illusionen

Wir begrüßen die zeitweise Unterstützung des kalifornischen liberalen Establishments gegen Trumps ICE-Razzien. Das zeigt, wie die öffentliche Meinung sich auf die Äußerungen und das Handeln der Mächtigen auswirken kann. Wir wissen aber auch, wofür sie wirklich stehen. Diese Demokraten sind nicht gegen Deportationen an sich. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Joe Biden während seiner Präsidentschaft mehr Menschen deportieren lassen als Trump in diesem Jahr, oder in seiner ersten Regierungszeit. Obama hält unter allen US-Regierungen immer noch den Spitzenplatz für die meisten Deportationen. Sollte Newsom zur Wahl antreten und Präsident werden, dann wird er in Biden und Obamas Fußstapfen treten.

Diese Demokrat:innen glauben an das »Ordnungsgemäße Verfahren« – sie haben also kein Problem mit Deportationen, solange ein Richter diese verfügt hat. Im Allgemeinen ziehen sie es vor, Immigrant:innen an der Grenze aufzugreifen. Trump hingegen jagt aggressiv Immigrant:innen, die schon seit vielen Jahren in den USA leben.

Wenn sich die Demokraten gegen Trumps Einsatz der Nationalgarde und Marinesoldaten wehren, wollen sie in Wirklichkeit damit sagen, dass sie selbst wissen, wie örtliche Bewegungen unterdrückt werden können. Und sie wollen es lieber selbst tun, statt Trump das Spektakel zu überlassen. Die LAPD untersteht der demokratisch regierten Stadt LA. Es ist die Polizei, die am gewalttätigsten gegen die Proteste vorgeht. Sie arbeitet zudem mit der ICE zusammen und verschafft ihr Zugriff auf Orte für Razzien und Festnahmen.

Bei Abfassung dieses Artikels machten die Demokraten die Bundesbehörden für die Gewalt verantwortlich, aber es entsteht bereits eine Erzählung von den »guten gegen die bösen Protestierenden«. Das heißt, nur der »friedliche« Protest und nicht der zivile Ungehorsam ist als Form des Widerstands gegen die ICE-Entführungen hinnehmbar.

Gewerkschaftlicher Protest

Am Montag, 9. Juni, rief die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU (Service Employees International Union) zu einer Kundgebung für David Huerta, den örtlichen Gewerkschaftsvorsitzenden auf. Er hatte sich am Freitag den Protesten angeschlossen, wurde niedergeschlagen und von ICE-Agenten zu Boden gedrückt, als er friedlich neben einem ICE-Van stand. Er wurde so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus behandelt werden musste. Wenige Stunden nach der Demonstration wurde Huerta auf Kaution freigelassen. Ihm wird Verschwörung zur Behinderung eines Beamten bei der Überwachung einer ICE-Razzia vorgeworfen. Das ist ein Verbrechen, das mit bis zu sechs Jahren Gefängnis geahndet wird.

An der Kundgebung nahmen sichtbar Beschäftigte aus Bildung und Unterhaltung, von Regierungsbehörden, aus dem Dienstleistungsbereich und Baugewerbe teil. Die Redner riefen zur Black-Brown-Unity, der Einheit der Schwarzen und Latinos, und zum Klassenkampf gegen Abschiebungen auf. Die politischen Ansichten variierten: Einige Redner:innen forderten die Anwesenden auf, bei den Zwischenwahlen 2026 die Demokraten zu wählen. Eine Person rief zum Sturz des Kapitalismus und dem Aufbau einer neuen Arbeiter:innenpartei auf. Eine andere war gerade erst von Protesten am Flughafen Los Angeles (LAX) gegen Trumps neues Einreiseverbot für Muslim:innen gekommen und verknüpfte damit die beiden Formen rassistischer Angriffe der Regierung.

Es gab auch Widerstand von Arbeiter:innen gegen die ICE außerhalb von offiziellen Gewerkschaftskanälen. Am Sonntag berichtete das Selbstverteidigungsbündnis von LA, dass es Mechaniker in Autowerkstätten davon überzeugen konnte, die zerstochenen Reifen von ICE-Wagen nicht zu reparieren. Die ICE musste selbst Klebeband zur Hand nehmen.

Am Montag protestierte die Gemeinde vor dem AC-Hotel in Padadena, wo ICE-Agenten nicht nur übernachteten. Sie forderten auch noch, dass die dort Beschäftigten ihre Ausweise vorzeigten, allein auf der Grundlage von Racial Profiling. Wegen der Proteste musste die ICE schließlich ein Hotel in Padadena verlassen.

Wenn wir uns organisieren, können große Proteste in den Stadtvierteln und Gemeinden dafür sorgen, dass die ICE-Agenten in LA weder schlafen noch essen noch fahren können.


Dieser Artikel erschien zuerst am 09. Juni 2025 auf marx21us.org

Titelbild: Socialist Worker