María Corina suchte schon 2005 die Nähe der US-Präsidenten. Hier Mit Goerge W. Bush im Oval Office, Washington DC.

María Corina: Friedensnobelpreisträgerin mit Kriegsrhetorik

Die im Westen weitgehend unbekannte venezolanische Oppositionspolitikerin María Corina Machado erhält den Friedensnobelpreis. Die Auszeichnung ist ein Erfolg für die globale Rechte. Machado ist eine ultrarechte Hardlinerin und gilt als Fürsprecherin einer US-Militärintervention in Venezuela. Die Entscheidung des Nobelkomitees hilft dem Versuch der USA, über ihren »Hinterhof« die Kontrolle wiederzuerlangen. Von der SVU-Redaktion.

Unter westlichen Linken und Liberalen überwog am vergangenen Freitag die Schadenfreude: Trotz seines erklärten Wunschs erhält Donald Trump nicht den angestrebten Friedensnobelpreis.

Doch einige Kommentator:innen zeigten sich skeptisch. Denn was auf den ersten Blick wie eine persönliche Niederlage für Donald Trump wirkt, erweist sich auf den zweiten Blick als Erfolg für die global vernetzte Rechte.

Alex Callinicos kommentierte auf Twitter treffend: »Eine ziemlich kluge Wahl – nicht Trump, sondern eine unterwürfige Verfechterin eines seiner Hauptanliegen«: Die US-Vorherrschaft in Lateinamerika wiederherzustellen. María Corina, wie sie meist kurz genannt wird, ließ selbst keinen Zweifel an ihrer politischen Gesinnung und widmete ihre Auszeichnung kurzerhand US-Präsident Trump.

Wer ist María Corina Machado?

María Corina stammt aus einer wohlhabenden Industriellenfamilie in Caracas, Venezuela. Seit den frühen 2000ern ist sie politisch aktiv und avancierte im letzten Jahrzehnt zum Gesicht der venezolanischen Rechten.

2024 wollte sie für ein Mehrparteienbündnis der Opposition bei den venezolanischen Präsidentschaftswahlen kandidieren. Das Regime von Präsident Nicolas Maduro schloss sie aber mit einem bürokratischen Manöver von der Wahl aus.

Der von ihr bestimmte Ersatzkandidat, Edmundo González, gewann nach Einschätzung der meisten Beobachter die  Wahl. Unbeeindruckt erklärte sich die Regierung um Präsident Nicolas Maduro trotzdem selbst zur Siegerin. Dass die Wahl gefälscht wurde, gilt in Venezuela auch unter linken Organisationen als unzweifelhaft. Seit dem Wahlbetrug gilt María Corina als demokratische Hoffnungsträgerin der venezolanischen Opposition. Ein genauerer Blick auf ihre politischen Positionen bringt dieses Bild aber ins Wanken.

María Corinas politisches Programm

Wirtschafts- und sozialpolitisch vertritt María Corina ein marktradikales Programm. Sie fordert Privatisierung und Sozialabbau. Und sie möchte den für Venezuela lebenswichtigen Ölsektor an US-amerikanische Unternehmen wie Exxonmobil oder Chevron verkaufen.

Eine Massenbewegung mit Hugo Chavez an der Spitze hatte 1999 eine neue Verfassung durchgesetzt. Ein Kernpunkt dieser »chavistischen Verfassung« waren Elemente von direkter Demokratie und Beteiligung an Entscheidungsprozessen. Die Bewegung hatte auch  weitreichende soziale Rechte für Venezolaner:innen, beispielsweise auf Wohnen, Bildung und Gesundheit durchgesetzt. All das möchte María Corina loswerden. Sie verkörpert wie keine Zweite die Verachtung der alten Oligarchie des Landes gegenüber den Armen.

Sie verkehrte während des gescheiterten Putsches gegen Hugo Chavez im April 2002 in den innersten Zirkeln der Putschisten. Und sie ließ die Arbeit ihrer Bürgerrechtsorganisation Súmate trotz gesetzlichem Verbot mit Mitteln aus dem umstrittenen »National Endowment for Democracy«-Fonds aus Washington finanzieren, der unter dem Deckmantel der »Demokratieförderung« zahlreiche pro-amerikanische Oppositionsbewegungen weltweit unterstützt.

Außenpolitisch gilt María Corina als Hardlinerin: Sie unterstützt die US-Sanktionen gegen Venezuela, einen der Hauptgründe für die Massenverarmung und die daraus folgende Auswanderungswelle ab 2017. Sie befürwortet auch die diplomatische Isolierung Venezuelas und das Einfrieren venezolanischer Auslandsgelder.

Diese Maßnahmen bereiten den Boden dafür, Präsident Maduro zu stürzen, wenn nötig auch unter Einsatz militärischer Mittel. Darüber hinaus ist sie bestens in der globalen Rechten vernetzt: Sie äußerte wiederholt Sympathien für Donald Trump, Javier Milei und Israels Genozid in Gaza. Sie nahm per Videobotschaft am »Viva Europa 2025« Kongress der rechtsradikalen spanischen Partei VOX teil und unterhält seit 2020 beste Verbindungen zur Likud-Partei.

Venezuelas Opposition und der Ruf nach Militärintervention

Seit Jahren gehört der Ruf nach militärischer Intervention  zum festen Repertoire der venezolanischen Rechten.

Der Grund ist die Schwäche der venezolanischen Rechten: Sie verfügt über keine stabile soziale Basis und Mobilisierungsfähigkeit innerhalb des Landes. Exemplarisch zeigte sich dies im Januar, als dem Aufruf zu Massenprotesten gegen die Amtseinführung Maduros landesweit nur wenige hundert Menschen folgten.

Ihre Strategie ist deshalb, politischen Wandel von außen herbeizuführen. Sie hoffen, dass militärischer Druck einen Bruch innerhalb des venezolanischen Militärs verursacht und Maduro und seinen inneren Zirkel schwächt.

In den vergangenen Jahren war diese Strategie aussichtslos. Zu gering war das Interesse der US-Regierungen an einem militärischen Abenteuer in der Südkaribik.

Andere Versuche, einen politischen Wandel zu erzwingen, wie die Selbsternennung des Abgeordneten Juan Guaidó zum Präsidenten oder mit Schnellbooten bewaffnete Kommandos ins Land zu bringen, scheiterten kläglich.

Unter der zweiten Trump-Administration scheinen sich die Aussichten für die venezolanische Rechte jedoch zu verbessern. Außenminister Marco Rubio erklärt die Absicherung US-amerikanischer Interessen in Lateinamerika wieder zur Priorität.

Truppenbewegungen in der Karibik und Hinrichtungen in internationalen Gewässern

Vor diesem Hintergrund erhält die Auszeichnung María Corinas eine größere Tragweite. Das zeigen auch die aktuellen Aktivitäten des US-Militärs in der Karibik. Die USA scheinen – von vielen unbeachtet – tatsächlich mit einem militärischen Engagement in Venezuela zu liebäugeln.

Seit Wochen wirft  Washington Venezuela vor, einen  »Drogenkrieg« gegen die USA zu führen. Trump bezeichnete Maduro als Kopf eines Drogenkartells und setzte ein Preisgeld von 50 Millionen US-Dollar auf seine Ergreifung aus. Maduro reagierte sarkastisch, indem er die gleiche Summe für die Veröffentlichung der Epstein-Files auslobte.

Weniger unterhaltsam ist, dass die USA unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung derzeit in der Karibik eine der größten Truppenbewegungen der vergangenen Jahrzehnte durchführen. Luftaufklärung, Zerstörer und Landungsschiffe werden zusammengezogen.

Seit dem 2. September kam es zu bisher fünf völkerrechtswidrigen Abschüssen angeblicher Drogenboote in internationalen Gewässern vor der venezolanischen Küste, bei denen mindestens 21 Personen getötet wurden. Auch liebäugelte Trump bereits mit militärischen Angriffen auf venezolanisches Festland und genehmigte am Mittwoch verdeckte Einsätze durch die CIA.

Dass der Drogenhandel der tatsächliche Grund für die Aktivität der USA in der Region ist, darf bezweifelt werden. Laut dem UN World Drug Report 2023 laufen nur etwa 5 Prozent des globalen Kokainhandels über Venezuela.

María Corina hilft bei der Verschiebung der Aufmerksamkeit der US-Außenpolitik in Richtung Lateinamerika

Hinter dem Vorwand des Kampfs gegen den Drogenhandel scheint sich aktuell eine Änderung der US-Außenpolitik im lateinamerikanischen »Hinterhof« zu vollziehen. Trump reagiert damit auf das veränderte globale Kräftegleichgewicht.

Nach der Niederlage der USA im Irak und in Afghanistan  scheint die Absicherung der US-Interessen in Lateinamerika zu einem zentralen Ziel der zweiten Trump-Administration geworden zu sein. Venezuela kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu: Einerseits verfügt es über die größten Ölreserven der Welt. Andererseits gilt das Regime um Nicolas Maduro als erbitterter Gegner der US-Interessen in der Region. 

Venezuela gibt sich seit Chavez Zeiten betont »antiimperialistisch« – wobei mit Imperialismus die Einflussnahme der USA gemeint ist – und zeigt eine politische Nähe zu China, Russland und dem Iran. Ein »Regime Change« und eine darauffolgende Einbindung Venezuelas in die eigene Einflusssphäre sind, so die Überlegungen in Washington, ein wichtiges Puzzleteil, um die globalen Kräfteverhältnisse wieder zugunsten der USA zu verschieben.

Eine offene US-Intervention in Venezuela scheint derzeit wenig realistisch. Stattdessen setzen die USA offenbar auf eine Strategie des indirekten Drucks: Gezielte Schläge vor der Küste, Provokationen und Geheimoperationen sollen Spannungen im venezolanischen Militär verschärfen und einen Teil der Streitkräfte zum Bruch mit Maduro bewegen. Ob die USA ihre militärischen Aktionen ausweiten und der Konflikt hochkocht, werden die kommenden Wochen zeigen. In Caracas läuten die Sturmglocken.

Nein zur US-Intervention!

Die Regierung um Nicolas Maduro ist alles andere als Links. Dennoch lehnen Linke weltweit aus guten Gründen eine militärische Intervention der USA in Venezuela ab.

Leidtragende eines Krieges  wäre in erster Linie die ohnehin seit Jahren gebeutelte Bevölkerung. Und gleichzeitig führt schon die Drohkulisse dazu, dass die Regierung Maduro die Reihen schließen kann. Die Regierung schafft es unter diesen Bedingungen, die Repression gegen die linke Opposition zu verstärken.

Vor einigen Wochen wurde die linke Menschenrechtsaktivistin Martha Grajales willkürlich festgenommen. Andere Aktivist:innen berichten von Überwachung und Einschüchterung. Maduro selbst warf in einer Fernsehsendung der Rosa-Luxemburg-Stiftung »feindliche Einflussnahme« vor.

Eine unabhängige linke Opposition, die das Land so dringend nötig hätte, um nach Jahren der Regierung unter Maduro einen progressiven Wandel einzuleiten, kann sich unter diesen Bedingungen kaum entfalten.

Im Interesse eines Lagers liegt das aktuelle Säbelrasseln der USA in der Südkaribik jedoch sicher: Dem der neuen Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado. Sie wird durch die Auszeichnung in Stellung gebracht, eine mögliche Post-Maduro-Ära anzuführen.

Die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis ist daher, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, keine Niederlage für das Lager der globalen Rechten um Trump, Netanjahu und Co., sondern ein wichtiger Zwischenschritt, um künftige politische und militärische Schritte gegen Venezuela unter Maduro zu legitimieren und die Wiederherstellung der US-Hegemonie im lateinamerikanischen Hinterhof ideologisch abzusichern.


Das Bild zeigt María Corina bei einem Treffen 2002 mit dem US-Präsidenten George W. Bush im Oval Office, Washington DC. (Bild: U.S. federal government, public domain)

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