Die Demonstration am 27. September war vielfältig. Jetzt kommt es darauf an, die Bewegung für Gaza auszuweiten und zu verankern.
Mehr als 100.000 Menschen folgten dem Aufruf »Zusammen für Gaza« und füllten Berlins Straßen vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule. Zuvor hatten zahlreiche Palästina-Gruppen, Aktionsbündnisse und Organisationen ebenso wie Ortsgruppen der Partei Die Linke für die Demonstration geflyert, plakatiert und mobilisiert. Unterschiedlichste Menschen sind aus ganz Deutschland angereist, um »gemeinsam die rote Linie« zu ziehen.
Die Größe des Protests spiegelte sich auch in dessen Diversität wider. Im Familienblock fanden sich Demonstrierende jeden Alters. Vom Lautsprecherwagen wurden Briefe von Kindern aus Gaza verlesen. Es demonstrierten Palästinenser:innen und Deutsche, Muslim:innen und Jüd:innen, alt-eingessessene Palästina-Aktivisten neben den neu dazugekommenen. Fahnen revolutionärer Organisationen wehten neben Parteifahnen der LINKEN, von Mera25 und der grünen Jugend.
GEW in Bewegung für Gaza
Einige Banner und Fahnen zeigten auch verschiedene Gewerkschaften, darunter die IG Bau, ver.di, DGB und GEW. Die GEW hatte erstmals zur Teilnahme an einer Demonstration für Palästina aufgerufen. Der dort aktive Lehrer Konstantin bekräftigte: »Ich finde, es ist höchste Zeit nach zwei Jahren laufendem Genozid, dass wir uns klar positionieren, deswegen bin ich heute hier.« Auch ein Vertreter der IG Bau stellte klar: »Wir sind solidarisch mit den palästinensischen Gewerkschaftern, die zurzeit in einem Genozid vernichtet werden!«
Redebeiträge solidarisierten sich mit ver.di-Vertrauensmann Christopher. Ihm war nach einer Rede, in der er sich gegen den Völkermord in Palästina ausgesprochen hatte, von der DHL fristlos gekündigt worden. Er bezeichnete die Kündigung als »größtes Lob«, bedankte sich für die Solidarität mit ihm und betonte: »Das sind einfache Leute, die das hier auf die Beine gestellt haben. Das ist eine wichtige Erfahrung, das ist großartig, darauf müssen wir stolz sein, daraus müssen wir lernen. Wie die Arbeiter in Italien müssen wir auf unsere eigene Kraft vertrauen. Alle Rüstungs- und Waffenexporte, die schon genehmigt wurden, müssen auf Eis gelegt werden.«
Beteiligung aus Parteien
Mehmet König ist Aktivist und Landesvorstandsmitglied der SPD Berlin. Er hat die Vertreibungen in Bosnien als Kind erlebt. Er prangerte die inakzeptable Politik der SPD an. Auch die Sozialdemokratie müsse gegen den Völkermord Stellung beziehen und hätte zu dieser Demo aufrufen sollen, bedauerte er.
Als die Parteivorsitzende der Linken, Ines Schwerdtner, von einem der Wagen zur Menge sprach, begegneten ihr Buhrufe. Erst nach ihre Bitte um Verzeihung für die lange Inaktivität ihrer Partei, konnte sie reden. Sie versprach Besserung und Solidarität von ihrer Partei und sagte: »Was in Gaza passiert, ist ein Völkermord und wir können nicht dazu schweigen!«
Gegen Polizeigewalt und Spaltung
Parallel zu dieser Demonstration fand in Berlin noch eine kleinere am Moritzplatz statt. Die dort Teilnehmenden erfuhren brutale und willkürliche Polizeigewalt. Der Protest wurde vorzeitig aufgelöst. Ramsy Kilani von Sozialismus von unten stellte in seiner Rede dazu klar:
»Die Angriffe gegen die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, gegen die Palästinasolidarität, sind immer auch ein alarmierender Türöffner für alles andere, was sie durchdrücken wollen. Wir erleben Militarisierung, wir erleben Aufrüstung, wir erleben die Wiedereinführung der Wehrpflicht (…). Dazu sagen wir: Nein, eurer Repression und eurer Gewalt beugen wir uns nicht!«
Zionismus ist das Problem
Er betonte außerdem das System hinter dem Grauen in Gaza und ermutigte die Zuhörenden, sich als Teil einer internationalen Bewegung zu sehen:
»Wir sehen im Zionismus, im Völkermord in Palästina, wie unter einem Brennglas alle Niederträchtigkeit, alles Böse in diesem System, das nur von Profit und Machterhalt getrieben ist. Und das sehen auch die Millionen und Abermillionen, die weltweit auf die Straße gegangen sind und gesungen haben: In our Thousands, in our Millions, we are all Palestinians! Wir sind alle Palästinenser. Wenn ihr einen von uns unterdrückt, unterdrückt ihr uns alle!«
Nie wieder gilt für alle
Die Demonstration war ein Zeichen der Solidarität, die Kilani in Anlehnung an Che Guevara als »Zärtlichkeit der Völker und unsere größte Waffe« bezeichnete, aber auch ein Zeichen des Durchbruchs und der Ausweitung, der Unleugbarkeit des Völkermords in Palästina und nur der Anfang, denn, so beschreibt es auch Demonstrant Luca, der extra aus Bayern angereist war:
»Nie wieder gilt für alle!« Und weiter: »Ich find’s ziemlich pervers, dass Deutschland mal wieder Mittäter in einem Völkermord ist. Es sollte die Pflicht jedes Menschen und insbesondere jedes Bürgers, jeder Bürgerin Deutschlands sein, auf die Straße zu gehen und sich dagegen auszusprechen, dass sowas wieder passiert. Viele Länder haben Palästina mittlerweile anerkannt, Deutschland nicht. Aber auch das ist nur ein symbolischer Akt. Ich würde mir mehr wünschen, zum Beispiel wie in Italien einen Generalstreik.«