Rechter Aufmarsch in London

Rechter Aufmarsch in London ist ein Weckruf

Rechter Aufmarsch in London: Die Größe und Breite der Demonstration am 13. September sind eine ernste Warnung.

Über 100.000 Faschist:innen und Rassist:innen strömten am Samstag in die Londoner Innenstadt. Es war die größte rechtsextreme Mobilisierung der britischen Geschichte. Das zeigt das Ausmaß der faschistischen Bedrohung. Es zeigt auch, wie sehr Ministerpräsident Keir Starmer von der Labour Party die extreme Rechte und Rassismus hoffähig gemacht hat.

Die Faschisten umzingelten mehrere Stunden lang eine Kundgebung des antirassistischen Bündnisses Stand Up To Racism (SUTR). Dazu hatten sich rund 20.000 Menschen in Whitehall, der Straße zwischen Trafalgar Square und Parlamentsplatz, versammelt.

Rechter Aufmarsch in London

Die Antirassist:innen blieben standfest, obwohl die Faschisten den Trafalgar Square überrannt hatten. All das sollte der gesamten Bewegung klar machen, wie dringend es ist, zu Zehntausenden und Hunderttausenden gegen die extreme Rechte und den Rassismus vorzugehen.

Überall waren Plakate mit der Aufschrift »Stoppt die Boote« (von Flüchtenden) zu sehen, während andere Starmer angriffen, weil er angeblich »asiatische Grooming-Banden« unterstütze, also organisierte Männer, die Minderjährige sexuell ausbeuten.

Fans von Trump und Israel

Es gab vereinzelt T-Shirts von Reform UK, gemischt mit Trump- und Israel-Flaggen. Vor allem aber war auf dem Marsch ein national-chauvinistisches Fahnenmeer aus Union Jack und St.-Georgs-Flaggen zu sehen.

Einige verbreiteten faschistische Verschwörungstheorien wie die »Great Replacement Theory« (Ideologie vom großen Bevölkerungsaustausch). Auf einem Plakat hieß es: »Wir wissen, dass ihr versucht, uns zu ersetzen.«

Hass auf Transpersonen

Transphobe Plakate waren auf dem Marsch zu sehen. Das zeigt, wie sehr Transfeindlichkeit als Mobilisierungsfaktor für die Rechtsextremen wirkt.

Faschistische Gruppen wie Patriot Alternative verteilten Flyer. Auf einem ihrer Flyer hieß es, man setze sich »für die Rechte der einheimischen Briten ein, damit sie nicht als Bürger zweiter Klasse behandelt werden«.

Polizei überlässt den Rechten das Feld

Die Metropolitan Police war zunächst nirgends zu sehen, als faschistische Schläger hinter der SUTR-Demonstration hermarschierten und einige sogar durch die Demoreihen gingen. Eine Woche zuvor holte die Polizei Kräfte aus ganz Großbritannien, um über 800 palästinasolidarische Rentnerinnen, Pfarrer und andere zu verhaften wegen des »Verbrechens«, Plakate hochzuhalten.

Die Faschisten versuchten, die SUTR-Demo von einer Seitenstraße aus anzugreifen. Dann kamen sie nach Whitehall.

Sie warfen mit Flaschen und anderen Gegenständen und riefen stundenlang „Oh Tommy Robinson“ und rassistische Beleidigungen. Gegen 18.30 Uhr konnten die Anhänger von SUTR den Ort verlassen und liefen gemeinsam zur U-Bahn-Station Green Park.

Lehren aus dem rechten Aufmarsch in London

Aus dem heutigen Tag lassen sich drei wichtige Lehren ziehen. Erstens hat er gezeigt, wie sehr die bürgerlichen Medien rechtsextreme und rassistische Ansichten in der Gesellschaft normalisiert haben.

Die Faschisten konnten ihre Bewegung durch drei Hauptthemen aufbauen. Erstens die Proteste vor Hotels, in denen Flüchtlinge untergebracht sind. Zweitens die Lüge, dass asiatische oder muslimische Männer eine besondere Gefahr für Frauen darstellen, verbunden mit der Lüge von »Grooming-Banden«. Drittens die Englandflaggen-Kampagne in diesem Sommer.

Labour hat kapituliert

In jeder einzelnen Frage hat Labour nicht nur kapituliert, sondern sich nach rechts bewegt und versucht, die Rechtsextremen in Sachen Rassismus noch zu übertrumpfen.

Innenministerin Yvette Cooper ist zwar nicht mehr im Amt, aber sie wurde durch Shabana Mahmood ersetzt, die für ihre »harte« Haltung gegenüber Migrant:innen bekannt ist.

Wir beobachten in Großbritannien denselben Prozess, der auch in anderen europäischen Ländern stattgefunden hat. Bürgerliche Politiker machten Migrant:innen und Geflüchtete zu Sündenböcken für ihre eigenen Versäumnisse, insbesondere nach der weltweiten Finanzkrise von 2007/2008.

Bürgerliche stärken die Rechten

Das öffnete rassistischen populistischen Politikern die Tür, da es ihren Argumenten Legitimation verlieh. Und bürgerliche Konservative und Liberale rückten noch weiter nach rechts, um die Rassisten und Faschisten zu übertrumpfen in dem Glauben, sie damit in Schach halten zu können.

Das bereitet jedoch nur den Boden für das Wachstum der extremen Rechten – einschließlich faschistischer Kräfte. In Italien beispielsweise ist Giorgia Meloni, die faschistische Vorsitzende der Partei Fratelli d’Italia, durch einen solchen Prozess Ministerpräsidentin geworden.

Heute bestimmen Nigel Farage und Reform UK die Agenda.

Gemeinsam mit Faschisten

Zweitens zeigte sich, dass die Verlagerung von Reform UK auf Proteste gegen Flüchtlinge es für Rechte akzeptabler gemacht hat, gemeinsam mit Faschisten zu marschieren.

Farage hat darauf geachtet, Abstand zu Robinson zu halten. Farage und Robinson sind zwar keine Verbündeten, aber Reform UK hat seit diesem Sommer eine deutliche Wende zur Unterstützung von Politik auf der Straße vollzogen. So trat beispielsweise die stellvertretende Vorsitzende der Reform-UK-Ortsgruppe in Epping (Essex) gemeinsam mit Nazis auf, wie SUTR aufdeckte.

Diese Verschiebung dürfte weiter rechts stehende Kräfte noch mehr gestärkt haben.

Lügen über Einwanderung entlarven

Drittens macht es deutlich, dass die von den Rechtsextremen verbreiteten Lügen zum Thema Einwanderung entlarvt werden müssen, um Reform UK und die Faschisten zurückzudrängen.

Ein großer Teil der Linken und der Arbeiterbewegung konzentriert sich lieber auf die unternehmensfreundliche Politik der Rechtsextremen oder behauptet, deren Aufstieg sei in erster Linie auf die Sparpolitik zurückzuführen. Es stimmt, dass Farage und die extreme Rechte sich die Wut der Menschen über Jahre des Neoliberalismus und der Sparpolitik, die die Menschen hart getroffen haben, zunutze machen.

Aber die Ablehnung der »massenhaften« und »illegalen« Einwanderung ist der Kitt, der ihre Geschichte vom »nationalen Niedergang« Großbritanniens zusammenhält.

Bewegung gegen rechts aufbauen

Lewis Nielsen, ein Verantwortlicher für SUTR, sagte bei der Kundgebung in Whitehall: »Ich möchte an jede einzelne Person in der Menge heute appellieren: Seid nicht nur Teilnehmer. Nehmt nicht nur an der heutigen Demonstration teil – werdet Organisatoren, werdet Anführer. Wir brauchen Anführer im ganzen Land – in jeder Schule, an jeder Universität, jedem Arbeitsplatz werden wir eine Bewegung aufbauen.«

Er fügte hinzu: »Wir brauchen mehr Menschen auf unserer Seite – und um mehr Menschen auf unsere Seite zu bringen, müssen wir von bestimmten Argumenten überzeugen. An allererster Stelle müssen wir sie als die Faschisten entlarven, die sie sind. Tut nicht so, als wäre Tommy Robinson kein Faschist. Tut nicht so, als wäre die AfD in Deutschland nicht faschistisch. Das zweite Argument lautet: Erzählt mir nicht, dass es berechtigte Sorgen hinsichtlich der Einwanderung gebe. Erzählt mir nicht, dass es in diesem Land eine zivilisierte Debatte über Migranten geben könnte.«

Rechter Aufmarsch in London ist ein Weckruf

Der Samstag könnte als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem die Faschisten in Großbritannien den Durchbruch geschafft haben. Aber er könnte auch als der Tag in die Geschichte eingehen, der der Linken und der Arbeiterbewegung als Weckruf diente. Als der Tag, da sie ihren Worten Massenaktionen folgen ließen und das Blatt wendeten.