Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas? Der zionistische Staat blickt auf eine scheußliche Bilanz gebrochener Vereinbarungen zurück. Von Alex Callinicos
Donald Trump trat zu Beginn dieser Woche eine triumphale Reise durch den Nahen Osten an. Aber wie sieht das Haltbarkeitsdatum für diese Selbstbeweihräucherung als großer Friedensstifter wohl aus? Zumindest eines hat er bewiesen: Wenn die Vereinigten Staaten ernsthaft Druck machen, dann knickt Israel auch ein.
Nach Schätzung des Quincy Institute, eines US-amerikanischen Thinktanks, haben die »USA seit Oktober 2023 31 bis 33 Milliarden Dollar zur Finanzierung von Israels Krieg gegen Gaza ausgegeben«. Diese militärische Hilfe hätte dem ehemaligen Präsidenten Joe Boden den Hebel gegeben, schon vor mindestens 18 Monaten ein sehr ähnliches Abkommen abzuschließen. Stattdessen hat er angesichts des israelischen Massakers an den Palästinensern nur die Hände gerungen.
Trump erzwingt Waffenstillstand
Es war also Trump, der den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu dazu gezwungen hat, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Was hat sich geändert, dass es dazu kam? Schließlich ist Netanjahu ein korrupter, weit rechts stehender autoritärer Politiker. Was sollte es aus Trumps Perspektive an ihm nicht zu mögen geben?
Dennoch hat für Trump nicht Israel oberste Priorität im Nahen und Mittleren Osten, sondern der Persische Golf. In beiden Amtszeiten galt seine erste Auslandsreise Golfstaaten. Teilweise weil Trumps Familie enge und wachsende Geschäftsverbindungen in der Golfregion hat. Aber es geht auch um strategische Fragen.
Schlüsselregion Persischer Golf
Der Golf ist nun eine Schlüsselregion des weltweiten Kapitalismus. Der wichtigste diplomatische Erfolg Trumps in seiner ersten Amtszeit war das Abraham-Abkommen von September 2020, mit dem Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die diplomatischen Beziehungen zu Israel normalisiert haben.
Trumps größter Wunsch ist es, dass Saudi-Arabien diesem Abkommen beitritt. Doch die saudische Herrscherfamilie hat deutlich gemacht, dass das nicht geschehen wird, solange der Genozid in Gaza fortgesetzt wird.
Israel und die Golfstaaten
Als Trump auf seinem Air-Force-One-Flug am Montag nach Israel interviewt wurde, äußerte er sich hoffnungsvoll, dass dank des Abkommens mit Israel und der Hamas die Region sich wieder »normalisieren« werde. Er spricht über engere wirtschaftliche Beziehungen zwischen Israel und den Golfstaaten.
Es findet eine wachsende militärische Kooperation statt, gefördert von dem US Central Command (Centcom), dem Regionalkommando der US-Armee für den Nahen Osten, Ostafrika und Zentralasien. Die Zeitung Washington Post enthüllte vor einigen Tagen, dass »in den vergangenen drei Jahren auf Vermittlung der USA hochrangige Armeeangehörige aus Israel und sechs arabischen Ländern zu Planungstreffen zusammengekommen sind«. Diese wurden fortgesetzt, während die arabischen Teilnehmer Israel öffentlich wegen Gaza verurteilten.
Vorgehen gegen Iran koordinieren
Bei den Treffen ging es hauptsächlich darum, das Vorgehen gegen Iran zu koordinieren, der von Israel wie den Golfstaaten als Bedrohung angesehen wird. Centcom versucht allerdings, ein breiter angelegtes regionales Sicherheitsbündnis, das Regional Security Construct, mit Israel, Bahrain, Ägypten, Jordanien, Katar, Saudi-Arabien und den VAE aufzustellen.
Auf einem Treffen, berichtet die Washington Post, »haben US-Kräfte Partner trainiert, die von unterirdischen Tunneln ausgehende Bedrohung aufzuspüren und zu neutralisieren. Solche Tunnel sind ein wichtiges Instrument der Hamas gegen das israelische Militär im Gazastreifen«. Trump hofft, dass dieser Block der herrschenden Klasse ein neokoloniales Gaza »normalisieren« kann.
Trump verärgert über Angriff auf Katar
Netanjahu hat sich deutlich übernommen, als er die Übermacht des israelischen Militärs zu demonstrieren versuchte und am 9. September einen Raketenangriff auf Katar befahl. Dieser gescheiterte Versuch, die Hamas-Führung zu ermorden, war nicht nur ein Angriff auf ein Mitglied des Blocks. Katar beherbergt den riesigen US-amerikanischen Stützpunkt al-Udeid, wo Centcom Hauptquartiere hat und den diplomatischen Mittler zwischen den USA und Israel einerseits und ihren Feinden auf der anderen Seite spielt. Die Empörung über den Angriff führte Trump und eine größere Gruppe arabischer und muslimischer Staaten zusammen.
Das Ergebnis war Trumps berühmter 20-Punkte-»Friedensplan«. Und der hat viele Lücken. Emile Hokayem, Direktor für regionale Sicherheit des britischen Thinktanks International Institute for Strategic Studies, meint: »Über die vereinbarte erste Phase hinaus liest sich der Rest wie eine Speisekarte, die sehr viel Raum für Zweideutigkeiten, Feilscherei und unerwartete Hindernisse lässt. Solch eine Speisekarte ergibt nur Sinn, wenn der Koch gleichzeitig als fairer und williger Vollstrecker fungiert.«
Waffenstillstand eröffnet neue Phase
Der Waffenstillstand eröffnet eine neue Phase des Kampfs. Israel wie die Hamas werden die Vagheit des Plans zu ihrem jeweiligen Vorteil zu nutzen versuchen. Der zionistische Staat blickt auf eine scheußliche Bilanz gebrochener Vereinbarungen zurück. Das letzte Beispiel stammt aus dem März, als Netanjahu einseitig den damals vereinbarten Waffenstillstand brach und den Genozid fortsetzte.
Wird der notorisch unbeständige Trump als Hokayems »Vollstrecker« handeln? Niemand sollte darauf wetten. Der Waffenstillstand ermöglicht es den Menschen aus Gaza, wieder zu leben. Wir selbst müssen unsere Anstrengungen verdoppeln und eine internationale Solidaritätsbewegung aufbauen, die Israel endgültig isolieren kann.
Zuerst erschienen auf Socialist Worker.
Foto: The White House