Bei der Gewerkschaftsdemonstration am 1. Mai in Berlin lehnten Viele die Orientierung von Bundeskanzler Merz auf Rüstung und Sozialabbau ab.
Am internationalen Kampftag der Arbeiter:innen fanden sich am Vormittag in Berlin bis zu 6.500 Menschen zur gewerkschaftlichen Demonstration zusammen. Unter ihnen Gewerkschafter:innen von u.a. ver.di und DGB, Parteimitglieder der SPD und LINKE, sowie zahlreiche revolutionäre Organisationen und Verbände. Auffällig war das Verhältnis beider. Die Gewerkschaften waren deutlich geringer vertreten als üblich. Die Anzahl an revolutionären Gruppierungen dagegen war deutlich höher.
Möglicherweise spielt hier eine gewisse Zurückhaltung von Teilen der Gewerkschaften gegenüber der SPD in der Regierung eine Rolle. Anwesende dagegen äußerten in Gesprächen Unmut über die aktuelle Politik deutlich. Besonders die Themen Aufrüstung, Militarisierung und Krieg trieben viele Menschen um.
Aufrüstung hängt mit Sozialkürzungen zusammen
Eine Teilnehmerin, seit kurzem aktiv in der Linken, sagte : „Die Menschen denken zu kurz, wenn es um die Ukraine geht. Es hat sich gezeigt, dass Waffen ausgerechnet nicht das Mittel sind, um Frieden zu schaffen. Die Aufrüstung steht außerdem im direkten Zusammenhang mit den Sozialkürzungen. Das erkennen zu wenige.“
Ein Mitglied des DGB äußerte sich zum anhaltenden Genozid in Palästina. Es sei „einfach nur noch gruselig, was die faschistoide Regierung in Israel vor den Augen aller vollzieht.“
Ein Eisenbahner und Sympathisant der EVG kritisierte die Gewerkschaftsführung für ihre Haltung zur Aufrüstung stark. Er betonte: „Der politische Streik und die politische Positionierung gehören zur Gewerkschaftsarbeit dazu!“
Die Gruppe Gewerkschafter gegen Aufrüstung bemerkt die Polarisierung des Themas ebenfalls: „Letztes Jahr wurden wir noch ausgelacht, dieses Jahr sind wir mehr.“
Arbeitskämpfe beim 1. Mai vertreten
Zahlreiche Beschäftigte berichteten außerdem von ihren schlechten Arbeitsverhältnissen.
Zwei Beschäftigte des Bundesverbands Schauspiel schilderten ihre vergangenen Arbeitskämpfe und die Jobgefährdung durch KI. Sie blicken besorgt und verärgert auf die neue Legislaturperiode unter dem neuen rechtskonservativen Kulturminister Weimer (CDU).
Eine Gruppe migrantischer Frauen, die bei ver.di organisiert sind und als Teil der CFM der Charité Berlin arbeitet, sprach über ihre ungerechte Bezahlung und die hohe Belastung in ihrem Beruf. Teilweise verdienen sie bis zu 700 Euro weniger als ihre Kolleg:innen.
Gewerkschafter:innen, die für Tesla arbeiten, erzählten ebenfalls von horrenden Arbeitsbedingungen, hoher Fluktuation in der Belegschaft und vielen Aufhebungsverträgen. Eine Produktionsarbeiterin berichtet: „Ich fühle mich schlecht, weil ich (am Fließband) als einzige einen Hocker benutzen darf. Das darf ich nur, weil ich eine ärztliche Bescheinigung habe. Die Kolleg:innen tun mir leid. Wir arbeiten acht Stunden am Tag und oft gibt es nicht mal fünf Minuten Pause. Bezahlt wird sie eh nicht.“
Gegen die Arbeiter:innen und den Betriebsrat organisiere der Arbeitgeber ständiges Union-Busting. Wenn der Betriebsrat eine Veranstaltung durchführe, lege der Arbeitgeber die Essenausgabe parallel dazu. Er verbreite zudem häufig Schein-Argumente wie „Mit Tarifverträgen werden eure Löhne sinken“ und „Firmen mit Betriebsräten und gewerkschaftlicher Organisierung stehen im Vergleich viel schlechter da“. Auch die Durchsetzung des Betriebsrats mit eigenen Leuten sei eine Strategie des Arbeitgebers.
Uneinheitliche Meinung zum Tarifvertrag
Eine Ordnerin der Demonstration, organisiert bei ver.di, sprach über die betriebliche Urabstimmung von 65 Prozent für den ausgehandelten Tarifvertrag. Sie bewertete das Ergebnis ambivalent. Für die Streikenden sei es „natürlich ein fauler Kompromiss“, aber für die Betriebe und Kolleg:innen, die nicht gestreikt haben, sei es ein Erfolg. Grundsätzlich zeigte sie sich enttäuscht über die geringe Streikbeteiligung.
Insgesamt war die Demonstration vielfältig und kämpferisch. Die Menge skandierte „Heute ist kein Arbeitstag, heute ist Kampftag!“. Auch „Free Palestine!“-Rufe wurden teilweise aufgenommen. Gut kam auch die Parole „Hundert Milliarden für Soziales – statt für Krieg!“ an.