Die Bundesregierung argumentiert, sie müsse die »ungeregelte Einwanderung« bekämpfen, um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das genaue Gegenteil passiert: Rassismus stärkt die Nazis. Von Gerrit Peters
Am 8. Mai führte die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz Grenzkontrollen ein. Kontrolliert und abgewiesen werden Menschen, die Schutz vor Krieg, Verfolgung oder Armut suchen. Merz hatte im Wahlkampf eine »Kehrtwende in der Asylpolitik« und ein »faktisches Einreiseverbot« angekündigt. Am 28. Mai verschärfte das Kabinett die Regelungen weiter: Sie hat die schnellere Einbürgerung beendet und den Familiennachzug gestoppt.
In den letzten Jahren ist das Asylrecht europaweit ausgehöhlt und missachtet worden – deutsche Regierungen machten mit. Es war ein schleichender Prozess, in dem erst zivile Seenotrettung kriminalisiert und schließlich tote Menschen im Mittelmeer und später in polnischen und belarussischen Wäldern normalisiert wurden. Die Bundesregierung hat im Juni entschieden, die finanzielle Unterstützung für zivile Seenotrettung einzustellen. Zwei Millionen Euro Förderung hat die zivile Seenotrettung die vergangenen Jahre vom Bund erhalten. Zum Vergleich: Die Grenzkontrollen kosteten die Bundesregierung allein das erste halbe Jahr über 50 Millionen Euro. Kosten für die Kontrolle der Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz sind in der Berechnung noch nicht enthalten.
Protest gegen Merz’ Angriff
Es ist richtig, Friedrich Merz für seine unmenschliche Politik zu kritisieren, für die er im Wahlkampf sogar eine Zusammenarbeit mit der AfD in Kauf nahm. Es war wichtig, dass daraufhin landesweit große Proteste ausgebrochen sind, die Tage später verhinderten, dass der Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Asylrechts eine Mehrheit im Parlament bekam. Der Druck der Bewegung auf die bürgerlichen Parteien rechts der Mitte war erfolgreich, sodass insgesamt 35 Abgeordnete von CDU/CSU und FPD nicht an der Abstimmung teilnahmen, sich enthielten oder mit »Nein« stimmten.
Auch aus der Politik gab es scharfe Kritik an Merz’ Vorgehen, der sich damit abseits des bürgerlich-demokratischen Konsens bewegte: Mit Feinden der Demokratie arbeitet man nicht zusammen.
Was jedoch bei der Kritik an Merz aufgefallen ist: Lediglich die Zusammenarbeit mit der AfD wurde kritisiert und nicht der Inhalt seines »Zustrombegrenzungsgesetzes«. Annalena Baerbock tadelte lediglich Merz »nationalstaatlichen Alleingang« und brachte es auf den Punkt, als sie sagte, dass die Pläne der CDU/CSU im Großen und Ganzen schon mit der im letzten Jahr beschlossenen GEAS Reform umsetzbar wären.
GEAS ist laut PRO ASYL »ein historischer Tiefpunkt der EU, mit dem künftig selbst Kinder in Grenzverfahren an den Außengrenzen in Haft genommen werden können«.
Es ist fatal, wie fast alle Parteien den menschenfeindlichen Positionen der AfD in Sachen Abschottung in dem Glauben hinterherlaufen, dass sie ihr dadurch Wählerstimmen klauen könnten. Denn das Gegenteil ist der Fall: Die faschistische Ideologie der Nazis in der AfD wird dadurch normalisiert und ihre Positionen legitimiert.
Rassismus tötet
Für Geflüchtete und Migrant:innen ist die Gefahr sehr real. Sie werden auf lebensgefährliche Fluchtwege gezwungen und von Nazis angegriffen. 2024 sind fast 9.000 Menschen auf der Flucht gestorben, etwa ein Drittel davon im Mittelmeer.
Gewalttätige Übergriffe auf Migrant:innen und besonders Muslime in Deutschland nehmen zu. CLAIM, die »Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit«, spricht von einem »alarmierenden Höchststand«. 2024 stiegen antimuslimische Übergriffe und Diskriminierungen um 60 Prozent auf 3.080 Fälle – acht pro Tag. Es werden nicht nur mehr Taten begangen, sie werden auch brutaler. CLAIM dokumentierte für das letzte Jahr 198 Körperverletzungen und zwei Tötungsdelikte.
Merz und Dobrindt gehören vor Gericht
Die Regierenden brechen wissentlich geltendes Recht, um ihr brutales Programm der Aus- und Zurückweisungen weiter in die Tat umzusetzen. Selbst nach einem kürzlichen Gerichtsurteil über die Rechtswidrigkeit der Rückführungen will Merz an den illegalen Maßnahmen festhalten. Dobrindt ist stolz, gerade 81 Menschen nach Afghanistan abgeschoben zu haben. UN-Hochkommissar Volker Türk kritisiert Deutschland dafür scharf und fordert, die Menschenrechte zu wahren.
Der »Rechtsbruch mit Ansage« ist laut der Legal Tribune Online (LTO) eine »rechtswidrige Maßnahme«, die »den Rechtsstaat und seine Akzeptanz in der Bevölkerung« gefährde. »Was würde Merz tun, wenn die Gerichte Zurückweisungen für rechtswidrig erklären? […] Wird er eine Kampagne gegen die Gerichte und die Richter starten, wie Polen unter der PIS-Regierung? […] Die CDU/CSU spielt mit dem Feuer.«
Es sind keine individuellen Fehltritte von Merz oder Dobrindt in einem gesellschaftlichen Rechtsruck, sondern der Kern bürgerlicher Politik. Bundeskanzler Merz und Innenminister Dobrindt gehören für ihre Rechtsverstöße vor Gericht. Die Tatsache, dass dies nicht geschieht, ist kein Fehler im System, sondern Ausdruck bürgerlicher Herrschaft
Rassismus stärkt Nazis
Die Übernahme der Abschottungspläne von rechten Parteien durch die EU hat den Vormarsch von Nazis in ganz Europa nicht verhindert. Im Gegenteil: Sie hat die menschenfeindliche Politik der Nazis normalisiert und das politisch Sag- und Machbare nach rechts verschoben.
Nazis und bürgerliche Parteien schüren Rassismus aus unterschiedlichen Gründen. Die AfD glaubt wirklich, dass Migrant:innen und Geflüchtete für den angeblichen Untergang Deutschlands verantwortlich sind. Parteien wie die CDU wollen dagegen mit Rassismus von ökonomischen Krisen ablenken, die im Kapitalismus immer auftreten werden. Damit schaffen sie genau die Stimmung, in der Nazis aufbauen können. Auch die AfD konnte davon profitieren und eilt von einem Wahlerfolg zum nächsten.
Niemand ist sicher vor rechter Gewalt
Große Massenproteste wie nach dem aufgedeckten Remigrations-Treffen der AfD in Potsdam oder nach Merz’ Vorstoß zur Zusammenarbeit mit der AfD bleiben aktuell aus. Dabei haben sie gezeigt, welche Wirkung sie haben können. Sie waren es, die die Reihen der CDU haben wackeln lassen. Sie haben gezeigt, dass sich ein Großteil der Menschen klar gegen Faschismus und Rassismus stellt.
Daran muss angeknüpft werden, nur so kann dem Rechtsruck entgegengewirkt werden, der allein der faschistischen AfD nützen wird. Der Kampf gegen Faschismus muss ein antirassistischer Kampf sein. Ein Kampf, der antimuslimischen Rassismus klar benennt und keine geteilte Solidarität mit Betroffenen von Rassismus kennt.
Nicht nur unmittelbar von Rassismus Betroffene werden unter dem politischen Rechtsruck leiden. Alle, die mit den »Remigrationsplänen« der AfD nicht einverstanden sind, stehen auf ihrer Abschussliste.
Der Faschist Björn Höcke droht: »[Wir werden] leider ein paar Volksteile verlieren […], die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen«. Höcke plant eine Politik der »wohltemperierten Grausamkeit« – ein beschönigender Ausdruck für rechten Terror und Massenmord. Es ist wichtig, dass wir uns dem Faschismus in breiten und entschlossenen Bündnissen entgegenstellen. Egal, ob bei lokalen Aufmärschen von Straßennazis oder öffentlichen Veranstaltungen der AfD. Nur so können wir ihren Aufbau stoppen. Die nächste Aufgabe ist der Protest gegen die Neugründung der Jungen Alternative im Herbst.
Titelbild: Sandor Csudai, flickr, CC-BY SA 2.0