Die Polykrise weitet sich aus

Der Weltkapitalismus gerät von einer Krise in die andere: Corona, Ukrainekrieg, jetzt Krieg in Nahost. Dazu kommt die anhaltende Klimakrise. Dabei hatte sich die Weltwirtschaft von der letzten schweren Finanzkrise 2007-2009 noch gar nicht erholt. Thomas Walter zur derzeitigen wirtschaftlichen Lage

Ein Symptom der derzeitigen Krisen ist die Inflation. Wegen der Corona-Pandemie ab 2020 wurde weniger produziert oder Waren steckten in Häfen fest. Mit dem Ukrainekrieg ab 2022 und den damit verbundenen Sanktionen wurde Energie noch knapper als sie wegen der Pandemie schon war. 2020, dem ersten Corona-Jahr, lagen die Importpreise noch um vier Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Doch 2021 gegen 2020 stiegen die Importpreise um 14 Prozent und 2022 gegen 2021 um 26 Prozent. Das wirkte sich, über Produktions- und Handelskette gedämpft, auf die Preise unseres Verbrauchs aus. Diese stiegen 2020 noch nur um ein Prozent, 2021 um drei Prozent und 2022 schon um sieben Prozent, jeweils gegen das Vorjahr (Abbildung). 

Es gibt Hoffnungen, dass die Inflation sich abschwächt, weil die Importpreise inzwischen wieder sinken. Die Importpreise lagen im September 2022 noch um 30 Prozent höher als im Jahr davor, jetzt im September 2023 lagen sie um 14 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Die entsprechenden Zahlen für den Verbrauchpreisindex September 2022 lauten plus neun Prozent und September 2023 plus fünf Prozent. Eine Abschwächung der Inflation bedeutet aber weiterhin steigende Preise. Die Preise bleiben auf dem inzwischen erreichten hohen Niveau.

 

Preissteigerungen fressen Löhne auf

Allerdings waren die Inflationsraten für Menschen mit niedrigen Einkommen höher, weil gerade Güter des täglichen Bedarfs sich besonders stark verteuert haben. Während die Preise insgesamt im Vergleich zu 2020 bis September 2023 um etwa 18 Prozent gestiegen waren, sind Nahrungsmittel sogar um 30 Prozent teurer geworden. Beim Heizöl schlug die Inflation mit 80 Prozent zu, bei Strom und Kraftstoffen mit 35 Prozent. Der Gaspreis verdoppelte sich. Diese Preiserhöhungen treffen vor allem Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen, während Menschen mit hohem Einkommen mehr Ausweichmöglichkeiten haben oder auf einzelne Luxusgüter verzichten können. 

Insgesamt konnten Löhne und soziale Leistungen mit den Preisen nicht mithalten. Seit 2019 ist die Kaufkraft der Löhne um über fünf Prozent geschrumpft (nach Reallohnindex des Statistischen Bundesamtes). 

Weltwirtschaftlich bleiben die Zeiten unruhig. Die Weltwirtschaft wächst von Jahr zu Jahr langsamer. Der Kuchen wächst langsamer, die Kampf zwischen den Kapitalisten um diesen Kuchen wird härter. Der „Westen“ musste Federn lassen (vgl. Abbildung). Entsprechend empfindlich reagieren die alten Mächte, während die Neulinge wie China oder Indien versuchen, ihre neue geopolitische Stellung auszubauen. 

Protektionismus und Konkurrenz

Protektionismus (Politik zum Schutz der eigenen Geschäfte) löst Marktwirtschaft ab. Die geopolitischen Konflikte werden auch militärisch ausgetragen. Jederzeit kann ein Wirtschaftskrieg in einen militärischen Konflikt ausarten.

Die Verschärfung der internationalen Konkurrenz kostet. Das Kapital will die Kosten natürlich auf die Arbeiter:innen abwälzen. Über die Inflation bezahlen die Arbeiter:innen automatisch für die Krise. Allerdings sind auch die Profite des deutschen Kapitals betroffen, denn höhere Kosten, die ihren Ursprung außerhalb Deutschlands haben, treffen auch sie. Entsprechend laut wird bei Kürzungen im Sozialstaat nachgedacht, zumal die Abkopplung von kapitalistischen Konkurrenten, höhere Rüstung usw. finanziert werden wollen.

Finanzminister Lindner polterte schon: „Es ist zu viel Sozialpolitik.“ Es braucht starke Gegenwehr nach Vorbild der solidarischen Demonstrationen für Palästina. Wir zahlen nicht für die Kämpfe zwischen den Imperialist:innen.    


Titelbild: Paul Fiedler