Israel löst mit einer Blockade eine gezielte Hungersnot für die Überlebenden des Gazastreifens aus. Die israelischen Vernichtungspläne in Gaza sind seit dem Bruch der Waffenruhe so offen, dass auch die öffentliche Diskussion im Westen nicht mehr umhin kommt, von Völkermord zu sprechen. Von Ramsis Kilani.
Die UNICEF gibt an, dass mehr als ein Drittel (39 Prozent) der Menschen in Gaza tagelang ohne Nahrung bleibt. 16,5 Prozent der unter Fünfjährigen leiden an Unterernährung. Es handelt sich um eine menschengemachte Hungersnot. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht von einem »Völkermord in Liveübertragung«. Auch israelische NGOs bestätigen mittlerweile den Tatbestand des Genozids.
Die zwölfjährige Rahaf Ayyad beschreibt ihren Zustand: »Ich will, dass mein Haar nachwächst, damit ich es wieder kämmen kann. Aber jetzt mag ich es nicht mehr, mich anzusehen. Das bin nicht ich.« Ihr Gewichtsverlust ist so drastisch, dass sie nicht mehr gehen kann. Ihr Körper trägt, wie der vieler weiterer Kinder, die Spuren des Aushungerns als Kriegswaffe.
Der Westen verurteilt – und liefert weiter Waffen
Zwar ändern westliche Regierungen den Ton, doch echte Konsequenzen bleiben aus. Die Anerkennung Palästinas im Rahmen einer nicht umsetzbaren »Zweistaatenlösung« durch einzelne westliche Staaten ist wie Merz’ Ankündigung einer Luftbrücke nicht mehr als Symbolpolitik. An der Grenze Gazas warten über Zehntausend von Israel gezielt blockierte LKW mit Hilfsgütern. Die Beendigung laufender wirtschaftlicher und militärischer Beziehungen, um echten Druck auf Israel auszuüben, unterlassen die Regierungen weiterhin bewusst. Der Hintergrund ist, dass ihre globalen Machtinteressen nach wie vor in wechselseitiger Abhängigkeit von Israels Rolle in der Region stehen.
Ermutigt durch die anhaltende Unterstützung westlicher Regierungen erklärte der israelische Sicherheitsrat die »Eroberung« Gazas und Entfernung der Palästinenser:innen als offizielles Ziel. Netanjahus konkreter Annexionsplan folgt nun. Der TV-Produzent des Netanjahu-nahen israelischen Senders Channel 14 Elad Barashi ruft auf: »Sie verdienen den Tod! Männer, Frauen und Kinder – egal wie, wir müssen einfach einen Holocaust an ihnen ausüben.« Der Völkermord in Gaza müsse über »Gaskammern, Zugwaggons und andere grausame Formen des Todes« vollendet werden. Zur Ankündigung, 600.000 Palästinenser:innen in Südgaza bis zur Vertreibung einzusperren, stellt der ehemalige israelische Premierminister Ehud Barak klar: »Es ist ein Konzentrationslager.«
Kein Brot für Gaza
Während um die zwei Millionen Menschen im abgeriegelten Küstenstreifen ums Überleben kämpfen, blockiert die israelische Armee zivile Hilfsmissionen in europäischen Gewässern: Das Hilfsschiff Conscience (»Gewissen«) wurde noch vor Malta unter Drohnenbeschuss gestoppt. In einem weiteren Anlauf wurden Greta Thunberg und weitere Aktivist:innen von Israel festgenommen und ausgewiesen, als sie in ihrem Schiff Madleen Babynahrung, Medizin und Mehl nach Gaza bringen wollten. Obwohl mit Yasemin Acar eine Aktivistin aus Deutschland unter ihnen war, schweigt die Bundesregierung zu diesem Verbrechen.
In Gaza bewaffnet der israelische Ministerpräsident Netanjahu nach eigenen Angaben kriminelle Banden unter dem Drogenschmuggler Abu Shabab. Aus seiner Villa im israelisch besetzten Khan Younis in Südgaza überfallen sie Hilfskonvois. Auch Israel selbst griff mehrere Hilfskonvois an. In Zusammenarbeit mit der israelischen Armee errichten Abu Shababs sogenannte »Volkskräfte« mit dem geplünderten Gut alternative Verteilstellen, um Hungernde nach Südgaza zu locken. Wartende Palästinenser:innen werden dort regelmäßig zu Dutzenden von der israelischen Armee und ihren Komplizen ermordet. Für den von Israel behaupteten Diebstahl von Hilfsgütern seitens der Hamas fehlt laut US-Untersuchungen hingegen jeder Beweis.
Plan Todeszone
Hungernde Palästinenser:innen in Zonen zu locken, entspricht Israels Plan »Gideons Streitwagen«. Darin hat die israelische Regierung offengelegt, dass sie die Palästinenser:innen aus Gaza vertreiben will. »Wir zerstören mehr und mehr Häuser. Sie haben nichts, zu dem sie zurückkehren können«, erklärte Netanjahu dem Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung der Knesset. »Die einzige unvermeidliche Folge wird die Emigration der Bewohner:innen aus Gaza sein«, so der israelische Ministerpräsident.
Logistikzentren sollen Überlebende mit neuesten Gesichtserkennungs-Technologien bis zur Entfernung in Zonen an der Grenze zu Ägypten überwachen und entscheiden, wer Essen erhält. Was sich anhört wie ein dystopischer Science Fiction-Roman, ist Israels öffentlich angekündigter Plan für die Zukunft der Menschen im Gazastreifen. Mahnende Worte reichen nicht. Auf Demonstrationen, bei direkten Aktionen und Informationsveranstaltungen fordern immer mehr Menschen, auch in Deutschland, den Abbruch aller Beziehungen zu Israel.
Titelbild: Jaber Jehad Badwan