Kampf um den Braunkohleabbau: Die unrühmliche Rolle der Gewerkschaften

In der Auseinandersetzung um den Ausstieg aus der Braunkohle haben sich die Gewerkschaften, allen voran die »IG Bergbau, Chemie, Energie« (IG BCE) auf die Seite der Problemverursacher geschlagen. Dabei sind Umweltschutz und Arbeitsplatzsicherheit keine Gegensätze, meint Jürgen Ehlers

Während die Zahl der verheerenden Naturkatastrophen weltweit zunimmt, werden immer wieder mühsam ausgehandelte Klimaziele aufgegeben oder umgangen. Auch in Deutschland versucht die Industrie stets aufs Neue, ihre Profitinteressen als Sorge um die Arbeitsplätze ihrer Beschäftigten zu verkaufen, wenn es um Klima- und Umweltschutzauflagen geht. Der skandalöse Umgang mit dem Abgasbetrug bei Dieselfahrzeugen ist nur eins von vielen Beispielen.

Die Gewerkschaften sind Teil des Problems

Die Gewerkschaften haben sich in Umweltfragen zu oft auf die Seite der Problemverursacher geschlagen und sich damit einen Bärendienst erwiesen. In den Augen aller, die schon seit Jahrzehnten vor den Folgen eines drohenden Klimawandels warnten und als weltfremde Fortschrittsgegner gebrandmarkt worden sind, genauso wie in denen der heutigen Umweltaktivistinnen und -aktivisten sind die Gewerkschaften Teil des Problems und nicht Teil der Lösung.

Auch die Auseinandersetzung um die Braunkohleverstromung ist davon geprägt. Dabei wäre es gerade dort vergleichsweise einfach, zu beweisen, dass Umweltschutz und Arbeitsplatzsicherheit keine Gegensätze sind, wenn man die Profitlogik durchbricht.

Milliarden für die Konzerne

So verkaufte zum Beispiel der schwedische Staatskonzern Vattenfall seine Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland an einen Investor aus Tschechien, da diese wegen der großen Überkapazitäten auf dem Strommarkt kaum noch mit Gewinn zu betreiben sind. Die IG BCE begrüßte die Übernahme, weil »die lange Zeit der Unsicherheit über die Zukunft der Lausitzer Braunkohle« damit vorbei sei. Sie erwartete vom neuen Eigentümer, dass er die 8.000 Arbeitsplätze sichert.

Doch nur einen Monat später löste der neue Eigentümer die Rücklagen in Höhe von 130 Millionen Euro auf, mit denen eigentlich die Folgeschäden des Tagebaus bezahlt werden sollten. Die Geschäftsstrategie des finanzschwachen tschechischen Konzerns beruht darauf, alte Kohlekraftwerke günstig zu kaufen und darauf zu spekulieren, dass diese länger als geplant am Netz bleiben, oder Subventionen bei Stilllegung fließen. Energiekonzernen wie RWE und Vattenfall hatte der damalige SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel 1,6 Milliarden Euro für die Stilllegung von Kohlekraftwerken zugesichert.

Protest gegen Ausstieg aus der Braunkohle

Nachdem im Kampf um den Hambacher Wald mit dem vorläufigen Rodungsstopp ein wichtiger Teilerfolg der Klimaaktivistinnen und -aktivisten erstritten wurde, mobilisiert die IG BCE nun ihre Mitglieder gegen den Ausstieg aus der Braunkohle. Während nicht weit vom Hambacher Forst entfernt die Kohlekommission tagt, gehen laut Gewerkschaft mindestens 10.000 Menschen für die Fortsetzung des Braunkohleabbaus auf die Straße. Auf Schildern sind Sprüche zu lesen wie »Hambi muss weg« und »make RWE great again«.

Die Angst der Beschäftigten im Kohle-Sektor um ihre Arbeitsplätze ist verständlich. Doch statt in das gleiche Horn zu blasen wie RWE, wäre es die Aufgabe der Gewerkschaft Beschäftigungsgarantien für alle Menschen, die im Kohle-Sektor arbeiten, zu fordern. Kostenlose Umschulungen in zukunftsfähige Berufe sowie Investitionen in erneuerbare Energien könnten weitere Forderungen einer Gewerkschaft sein, die sowohl für die Interessen ihrer Mitglieder als auch für die dringend nötige Wende in der Energie- und Klimapolitik kämpft. Die Konzerne, die jahrzehntelang vom Staat subventioniert wurden und Profite auf Kosten der Gesellschaft machen konnten , müssen jetzt den Strukturwandel mitfinanzieren. Das zu betonen, wäre Aufgabe der IB BCE. Doch stattdessen stellt sie sich an die Seite des Großkonzerns.

Das Problem sind die Eigentumsverhältnisse

Mit Blick auf die Energiewende fordert Michael Vassiliadis, Chef der IG BCE, zwar ganz richtig, »wir benötigen einen Strukturwandel, der intelligent gemanagt ist«, wettert dann aber ganz falsch gegen den staatlich subventionierten Ausbau von erneuerbaren Energien.

Das Problem ist nicht die staatliche Förderung der Entwicklung neuer, schadstoffarmer Techniken zur Stromproduktion, sondern deren Finanzierung und Verwertung. Natürlich ist die Umlage für erneuerbare Energien zu kritisieren, weil damit Menschen mit geringem Einkommen höher belastet werden, und Vassiliadis Forderung nach einer Steuerfinanzierung richtig.

Aber die Finanzierung ist nur ein Problem, noch gravierender sind die Eigentumsverhältnisse. Die Energieversorgung gehört nicht in die Hand von profitorientierten privaten Investoren, sondern als Teil der Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand. Dann müssten auch die Kumpel in den Braunkohlerevieren keine Existenzangst haben, denn durch eine öffentlich geplante Energiewende würden viele neue Arbeitsplätze entstehen. Die Gewerkschaft muss deswegen zum Bündnispartner des wachsenden Widerstands gegen den Braunkohleabbau werden.


Jürgen Ehlers ist aktiv in der Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft der LINKEN in Hessen.

Dieser Beitrag wurde erstmals 2018 veröffentlicht.

Titelbild: IG BCE