DIE LINKE: Staatsraison oder Solidarität?

Solidarität ist ein Begriff, der für das Selbstverständnis der LINKEN von Anbeginn eine zentrale Bedeutung hatte. Solidarität ist aber nicht nur ein Begriff, sondern er muss wirksam werden in der Praxis der Partei. Dem wird DIE LINKE momentan nicht gerecht. Von Initiative SvU

In vielen Städten Deutschlands demonstrieren seit Wochen Zehntausende gegen die Unterdrückung der Palästinenser:innen, gegen die Besatzung ihres Landes und gegen die Angriffe des israelischen Militärs auf Gaza, die bereits Tausende ziviler Opfer gefordert haben. Führende Politiker:innen und Gremien der Partei verhalten sich zu diesen Protesten bestenfalls passiv.

Vor Kurzem wurde der ehemalige Vorsitzende der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, auf Initiative des Veranstaltungsorts wegen „pro-palästinensischer” Äußerungen von der Konferenz „Europa den Räten!” der Rosa-Luxemburg-Stiftung ausgeladen.

Distanz zu Bewegungen

Woher stammt diese Distanz zu Bewegungen, die Aufkündigung der Solidarität mit den Unterdrückten? Weshalb klammern sich führende Kräfte der Partei DIE LINKE an die Staatsräson der uneingeschränkten Unterstützung Israels und geben dafür den Grundsatz internationaler Solidarität auf?

Vor 15 Jahren hat sich die LINKE ausgehend von der Enttäuschung mit der Politik der SPD und den Protesten gegen die „Agenda 2010“ und die sogenannten Hartz-Reformen gegründet. Ohne diese gesellschaftlichen Auseinandersetzungen wäre die LINKE nicht entstanden und die damalige PDS wäre weitgehend Regionalpartei in den östlichen Bundesländern geblieben.

15 Jahre parlamentarischer Existenz der LINKEN bewirkten jedoch auch den Wunsch, dazuzugehören, Politik „professionell“ zu betreiben, für alle Details der Gesellschaft Lösungen anzubieten und nach tatsächlichen oder vermeintlichen Stimmungen innerhalb des Volks der Wahlberechtigten zu suchen, um mehrheitsfähig zu werden.

Die Hoffnung auf ein „linkes Lager“ im Parlament führte dazu, Schnittmengen auszuloten und in der Hoffnung auf Koalitionsoptionen die SPD und die Grünen in der politischen Auseinandersetzung zu schonen.

Staats- und Regierungsorientierung

Der Drang nach einer Beteiligung an der Regierung führte dazu, den Widerspruch zu zentralen Elementen der deutschen Staatsräson, so z.B. der Einbindung in die NATO und der grundsätzlichen Bereitschaft, Kriege zu führen, abzuschwächen. Stattdessen verlegte sich die Öffentlichkeitsarbeit der Partei immer stärker auf das Bewerben abstrakter Ziele wie „Frieden“ oder „Abrüstung“, statt die militärischen Bestrebungen der Bundesregierung offen zu konfrontieren und die Bewegungen gegen Krieg und Militarismus zu stärken.

Ein Argument gegen die Teilnahme an Bewegungen gegen Krieg und Militarismus war, dass in diesen auch rechte Kräfte wirken würden. Richtig wäre gewesen, aktiv daran zu arbeiten, die Bewegung gegen Militarismus und Krieg mit aufzubauen, diese rechten Kräfte gemeinsam mit anderen zu konfrontieren und so um den politischen Einfluss in der Bewegung zu kämpfen.

Es ist diese Orientierung auf „die Macht“, auf staatliches Handeln, Gesetze und Verordnungen, die die LINKE von den Menschen entfernt und von den Bewegungen entfremdet. Wählerinnen und Wähler werden nicht mehr als Mitstreiter:innen in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen gesehen, sondern als Kund:innen der Partei. Es wird nach Kniffen gesucht, im Rahmen gegebener gesellschaftlicher Machtverhältnisse irgendetwas „herauszuholen“, durch die Versöhnung der Klassengegensätze für alle Gutes zu tun.

Die Illusion der Klassenversöhnung

Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Ruf nach Public-Private-Partnerships in der Erklärung der Landesvorsitzenden und der Vorsitzenden von Fraktion und Partei vom 05.11.2023. Mit „Industriestiftungen“ und „Anstalten öffentlichen Rechts“ sollen „gezielt Anteile an Unternehmen erworben werden“, um „den klimaneutralen Umbau“ zu steuern. Anstatt das Profitprinzip, das die Triebkraft zu Wachstum auf Kosten von Menschen und der Natur ist, anzugreifen, sollen komplizierte Regelungen und Kooperationen mit der Wirtschaft das Problem lösen. Ein Ansatz, wie Menschen sich in Bewegungen außerhalb von Think-Tanks und Beratungsstäben von Ministerien für dies einsetzen können fehlt!

DIE LINKE kann nicht überleben, wenn sie sich als Funktionspartei in einer Nische des politischen Systems einrichtet. Eine solche Reduktion der Partei auf die Bewerbung von Reformkonzepten ohne Aussicht auf Umsetzung wird auch der geschichtlichen Lage nicht gerecht. Nicht nur der fortschreitende Klimawandel, sondern auch die immer weiter eskalierenden weltweiten imperialistischen Spannungen lassen ein „Weiter so!“ nicht zu. 

Wenn sich DIE LINKE den Herausforderungen der Zeit stellen will,  muss sie wieder Partei der Bewegungen werden und an der Seite der Menschen kämpfen. Sie muss die gesellschaftliche Auseinandersetzung suchen, statt mit der Propagierung von komplexen Reformkonzepten die Illusion einer Versöhnung der Klassengegensätze zu befördern.

DIE LINKE muss wieder die Partei der Solidarität und des Protests werden!


Titelbild: Snowcat