Gewerkschaftskonferenz: Löhne rauf, Waffen runter!

Am 14. und 15. Juni 2024 findet in Stuttgart die friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz statt. Wieso sie und die gewerkschaftliche Positionierung gegen Krieg und gegen die Bundesregierung, die diese mit deutschen Waffen das Sterben anfeuert gegenwärtig wichtig ist, beantwortet Nils Böhlke

In den letzten Monaten war wieder vermehrt davon die Rede, dass Deutschland eine „Streikrepublik“ sei, weil eine Reihe von teilweise hart geführten Arbeitskämpfen das Leben der Menschen in diesem Land beeinflusst haben. Streiks bei der Bahn, im Flugverkehr, im öffentlichen Nahverkehr und in mehreren anderen Branchen haben gezeigt, welche Macht die Beschäftigten haben, wenn sie sich für ihre Interessen einsetzen. Allerdings ist das Bild von der „Streikrepublik“ nur sehr partiell zutreffend. Insgesamt sind die Streiktage in Deutschland im internationalen Vergleich eher gering und aktuell sind die Streiks begleitet von einem Angriff der Kapitalseite, die zunehmend an Fahrt aufnimmt.

Krieg und Krisenlasten

Bereits direkt nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat Bundeskanzler Scholz Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften zu einer sogenannten konzertierten Aktion ins Kanzleramt gerufen und letztlich eine Inflationsausgleichsprämie beschlossen, die in den anschließenden Tarifauseinandersetzungen ein gewaltiger Klotz am Bein der Gewerkschaften war. Die angebotenen 3.000 Euro Einmalzahlung waren für die Beschäftigten in der akuten Notlage zu attraktiv, als dass sie zugunsten höherer prozentualer Erhöhungen hätten abgelehnt werden können. So wurden die Einmalzahlungen Teil aller Abschlüsse der letzten beiden Jahre und haben zu einem Kaufkraftverlust der Tarif-Entgelte beigetragen, weil die Arbeitgeber diese selbstverständlich einpreisen. Ende 2023 lag die Kaufkraft der Tarifbeschäftigten sechs Prozent unter der Kaufkraft im Jahr 2020 – im Osten nochmal stärker als im Westen. Da nur noch etwa die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland durch einen Tarifvertrag abgesichert sind, ist die Kaufkraft insgesamt sogar noch stärker gesunken.  

Damit aber nicht genug, auch das Streikrecht insgesamt wird wieder verstärkt angegriffen. Bereits die wenigen Streiks im Bereich der öffentlichen Infrastruktur haben zu einer Debatte beigetragen, dass das ohnehin relativ repressive deutsche Streikrecht weiter eingeschränkt werden soll. Hinzu kommt eine zunehmende Bereitschaft von Arbeitgeber:innen stattfindende Streiks durch Klagen juristisch und im öffentlichen Bewusstsein zu kriminalisieren. 

Auch die Diskussion über einen Abbau der erkämpften sozialen Standards nimmt weiter an Fahrt auf. So wurden in den letzten Monaten wieder vermehrt Diskussionen über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit initiiert und die Erhöhung des Bürgergeldes im Rahmen der Inflation führte zu einem massiven Aufschrei in der öffentlichen Debatte. So erinnert die deutsche Debatte angesichts der in den Talkshows immer wieder hervorgebrachten Annahme, dass Bezieher:innen von Bürgergeld nicht bereit seien einer Erwerbsarbeit nachzugehen und mit Sanktionen dazu gezwungen werden müssten, stark an die Zeit während der Einführung von Hartz IV.

Kanonen statt Butter?

Begründet wird dies wie in der damaligen Debatte auch damit, dass Deutschland als „der kranke Mann Europas“ bezeichnet wird, die schlechte wirtschaftliche Lage also einen großen „Reformstau“ offenbare.  

Dieser Klassenkampf von oben zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation auf Kosten der Mehrheit der Menschen geht einher mit einer Militarisierung, wie man sie sich noch vor wenigen Jahren nicht hätte vorstellen können. Bereits wenige Tage nach Beginn des Ukrainekrieges wurde ein Sondervermögen der Bundeswehr durch eine Grundgesetzänderung ermöglicht. Seitdem hat sich die Debatte immer weiter verschärft. Wenn heute eine Spitzenkandidatin der SPD zu den Europawahlen eine atomare Bewaffnung diskutiert, sich zahlreiche Grüne an die Spitze der Forderung nach immer mehr Waffenlieferungen mit immer schwereren Waffen stellen und von nahezu allen etablierten Parteien mehr gesellschaftliche Unterstützung für Militärs gefordert werden, dann zeigt dies wie sehr sich die Debatte verschoben hat. 

Dabei sind Krieg und Militarismus auf der einen Seite und Angriffe nach innen gegen die Arbeiterklasse auf der anderen, lediglich zwei Seiten einer Medaille, die auch gemeinsam angegangen werden sollten. Einerseits wird der Lebensstandard der Menschen angegriffen, weil das Geld für Aufrüstung und Krieg selbstverständlich an anderer Stelle gekürzt werden soll und andererseits, weil es nicht die Konzernchefs und ihre Kinder sein werden, die zukünftig in die Kriege geschickt werden. Diese Militarisierung hängt ebenso wie die Angriffe auf die Arbeiterklasse in Deutschland mit der verhärteten Konkurrenz der verschiedenen imperialistischen Mächte zusammen. Um in dieser bestehen zu können, müssen Profite stärker gesteigert werden als dies in anderen Ländern der Fall ist und sollen die eigenen Interessen notfalls auch militärisch durchgesetzt werden können. Dabei geht es nicht um die angebliche Unterstützung von Demokratie und Menschenrechten. Es geht um Einflusssphären und Zugang zu Ressourcen und Absatzmärkten.

Die Friedensbewegung aus der Krise führen

Dass dies möglich ist, hängt auch damit zusammen, dass die aktuellen Gegenkräfte viel zu schwach sind. Die alte Friedensbewegung ist über die Einschätzung des russischen Imperialismus gespalten und die Gewerkschaften spielen in ihr kaum noch eine Rolle. Die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat sich deutlich von der Friedensbewegung abgewendet, viele Beschäftigte sind verunsichert und wollen potentiell spaltende Debatten in ihren ohnehin schwachen Gewerkschaften und Belegschaften lieber vermeiden. Die Kompromisformulierungen und auch die Debatten auf den Gewerkschaftstagen der beiden größten Gewerkschaften IG Metall und ver.di im letzten Herbst sind Ausdruck dieser Situation. Dort wurden Formulierungen beschlossen, die sowohl die Position für Waffenlieferungen, wie auch die gegen Waffenlieferungen als legitime Position innerhalb der Gewerkschaften bezeichneten. Eine klare Opposition zum Kriegskurs sieht anders aus.

Umso wichtiger ist es, diese Debatte wieder verstärkt in die Gewerkschaften zu tragen. Einerseits durch Diskussionen mit den Belegschaften in den Betrieben, aber auch durch gemeinsame Veranstaltungen wie der friedenspolitischen Gewerkschaftskonferenz in Stuttgart am 14. und 15. Juni.


Waffen runter, Löhne rauf!

Friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz

Wann: 14./15. Juni 2024

Wo: Gewerkschaftshaus, Willi-Bleicher-Straße 20, 70174 Stuttgart

Anmeldung: Hier über die Rosa-Luxemburg-Stiftung


Titelbild: redhope