Hambacher Forst: RWE am Boden, aber noch nicht besiegt

RWE liegt nach dem vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst am Boden, doch entmachtet ist der Konzern deshalb noch lange nicht.

Freitag, der 5. Oktober 2018 wird als PR-Desaster in die Geschichte des RWE-Konzerns eingehen: Erst sickerte in den sozialen Netzwerken durch, dass RWE als Sicherheitsfirma getarnte Schlägertrupps gegen die lokalen Waldschützer einsetzt. Dann verfügte das Oberverwaltungsgericht den vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst.

Bausteine des Erfolgs

Ein Schleier aus Lügen und Denunziationen von Seiten RWEs und der Landesregierung lüftete sich: Plötzlich wurde auch den möglichen Befürwortern der Rodung vor Augen geführt, dass der größte Polizeieinsatz in der Geschichte NRWs nur einem Ziel diente: Im Hambacher Forst sollten vollendete Tatsachen geschaffen werden, noch bevor der Fall juristisch geklärt werden kann. Es bestätigte sich, dass die herrschende Politik meist nur ein »geschäftsführender Ausschuss« (Marx) der Konzerne ist.

Der juristische Sieg des BUND NRW über RWE war nur ein Baustein des Erfolgs. Entscheidend war der hartnäckige Widerstand einer zunächst kleinen Klimabewegung seit fast einem Jahrzehnt. Das erste Klimacamp im rheinischen Braunkohlerevier fand schon 2010 mit nur wenigen hundert Aktivistinnen und Aktivisten statt. Aus diesem Funken wurde ein Feuer, das letztlich im Urteil des OVG Münster und dem Massenprotest am 6. Oktober mündete. Es zeigt auch für andere Felder wie etwa der Friedensbewegung, dass auch ein zunächst aussichtslos erscheinendes Engagement früher oder später Früchte tragen kann.

Die Empörung wächst

Die schwarz-gelbe Landesregierung von NRW hat in den letzten Wochen ein miserables Bild abgegeben: Erst ließ sie die liebevoll errichteten Baumhäuser mit der lächerlichen Begründung des Brandschutzes von der Polizei zerstören – eine Woche zuvor hatte die Polizei die Feuerlöscher in den Baumhäusern konfisziert und als die Räumung begann, regnete es in Strömen. Dann, als ein Journalist und Blogger auf tragische Weise durch einen Sturz aus einem Baumhaus ums Leben kam, erfand NRW-Innenminister Reul (CDU) die Lügengeschichte über die angebliche Freude der Aktivistinnen und Aktivisten über dessen Tod. Zahlreiche Journalistinnen und Journalisten, die den Vorfall selbst miterleben mussten, widersprachen der Version des Innenministers vehement.  Die versuchte Instrumentalisierung des Todes schlug fehl: Die Empörung wuchs weiter. Einer Umfrage zufolge wünschen sich 75 Prozent der Bevölkerung einen Erhalt des Hambacher Forstes.

Die Lügen von RWE

Und RWE?  Die Konzernmanager versuchten von Anfang an die Klimabewegung mürbe zu machen. Die Botschaft: Der Wald wird sowieso gerodet, egal wieviel Menschen protestieren, egal wie die Kohlekommission entscheidet.

Gelogen wurde auch über die angebliche Energieversorgungssicherheit Deutschlands, die in der Auseinandersetzung auf dem Spiel stünde. Der Stromexport aus Deutschland erreichte im Jahr 2017 einen neuen Rekordwert. Außerdem fanden Studien heraus, dass es ein Leichtes wäre, die Braunkohleenergie durch den Ausbau von erneuerbaren Energien zu ersetzen. Es ging nie um die Stromversorgung der Bevölkerung, sondern einzig und allein um den Aktienkurs von RWE.

Klassenkampf im Hambacher Forst

DIE LINKE hat in der ganzen Auseinandersetzung einen guten Job gemacht: Bundestagsabgeordnete reisten regelmäßig in den Hambacher Forst, um die Aktivistinnen und Aktivisten zu unterstützen, mögliche Polizeiübergriffe zu dokumentieren und Gegenöffentlichkeit – meist über die sozialen Netzwerke – zu organisieren. Der Landesvorstand positionierte sich über Strömungsgrenzen hinweg klar gegen RWE, stellte den Basisgliederungen Material zur Verfügung und organisierte Pressearbeit.

DIE LINKE NRW-Facebook-Community war voll von Solidaritätsbekundungen mit den Waldschützern.  Während sich Prominente der Grünen meist nur auf Pressefotos im Hambacher Forst ablichten ließen, waren Basisaktivisten der LINKEN aus der Region fast immer und auch dann vor Ort, wenn kein Presseteam unterwegs war. Sie thematisierten in vielen NRW-Kommunalparlamenten die Verquickung zwischen den jeweiligen Stadtoberen und dem RWE-Konzern.

Ökologie und Eigentumsfrage

RWE liegt zwar am Boden, aber entmachtet ist der Konzern deswegen noch lange nicht. Laut Medienberichten ist die Rodung aufgeschoben – möglicherweise bis 2020, aber vom Tisch ist sie noch nicht. Die Klimabewegung muss weiter Druck machen, nicht nur für den Erhalt des Hambacher Forsts, sondern auch für ein schnelles Ende der klimaschädlichen Braunkohleenergie.

Alle wissen: RWE hat sich ein weit verzweigtes Korruptionsnetz aus Kommunalpolitikern geschaffen, das bis in die Spitzen der NRW-Regierung reicht. Gut möglich, dass die PR-Strategen in der RWE-Zentrale nun auf den Moment warten, wo der Druck abflaut.

DIE LINKE muss spätestens jetzt den zweiten Schritt gehen und die Eigentumsfrage stellen: Wem gehört aus welchen Gründen was? Das Erfurter Programm der LINKEN bietet hier eine gute Grundlage. Darin wird unmissverständlich gefordert, dass die Energiewirtschaft in öffentliche Hand gehört und dezentral und ökologisch organisiert werden muss.

Eine rote Klimapolitik

DIE LINKE muss ökologisch mutiger werden und die Eigentumsfrage nicht nur als Randnotiz in der Außendarstellung verbuchen. Aus Angst vor Gegenreaktionen scheint DIE LINKE manchmal peinlichst bemüht zu sein, möglichst »sachlich« und »differenziert« zu argumentieren. Doch die Partei muss lernen, Dinge beim Namen zu nennen und sie in eine populäre Sprache zu übersetzen.

Die erfolgreiche Plakatkampagne der LINKEN im Landtagswahlkampf in NRW 2010 (E.ON, RWE entmachten) gibt uns Recht: Mit der Eigentumsfrage lässt sich Zustimmung organisieren. Es gilt, einen Trennstrich zu den längst nicht mehr ökologischen Grünen zu ziehen: Einen »grünen Kapitalismus« wird es nicht geben. Eine rote Klimapolitik bedeutet, die Eigentumsmacht von RWE und anderen Klimasündern nachhaltig herauszufordern. Das geht nur über die Eigentumsfrage.


Hannes Draeger ist Aktivist der LINKEN in Münster und Teil der »Hambi-bleibt«-Bewegung

Dieser Beitrag wurde erstmals 2018 veröffentlicht.

Titelbild: Leonhard Lenz